Ein historischer
Händedruck
Nachdem John Lennon und Paul McCartney - oder war es umgekehrt
- begannen, miteinander Songs zu schreiben, beschlossen sie,
fortan die Autorenschaft mit Lennon/McCartney anzugeben. Sie
besiegelten dies, so will es die Beatleslegende, mit einem
Händedruck. Das war tief im letzten Jahrhundert, weit
zurück im zweiten Millennium. Man schrieb wahrscheinlich
das Jahr 1957. In der Tat schrieben sie in den folgenden Jahren
einige Songs zusammen. Paul dichtete «She was just
seventeen and not a beauty queen», worauf John einwarf,
«you know what I mean.» Pauls Idee wurde
verworfen, Johns Reim ergänzte die erste Textzeile von I Saw Her Standing There, welches 1962 zum Opener des
ersten Beatles-Album Please Please Me wurde.
Doch schon bald schrieb jeder seine eingenen Songs. Es mag
zwar sein, dass der Text noch nicht ganz fertig war, doch
in der Regel gab der Autor auch den Rest vor. Der erste echte
Song, welcher wieder der gestrengen Qualitätskontrolle
des Labels Lennon/McCartney entspricht, ist We Can Work
It Out von 1965. Die Strophen und die eingängige
Melodie stammen von McCartney: «Try to see my way...»
Lennon hatte einen eigenen, unfertigen Song zusammen, der
mit den Worten «Life is very short...» begann. Die Teile sind durch die Rhythmuswechsel hörbar,
Pauls Teil ist im 4/4 Takt, Lennon hat im 3/4 Takt geschrieben.
1967, beim Erscheinen von Sgt. Pepper's freute sich
John Lennon, dass er zum ersten Mal seit Jahren wieder mit
Paul Songs geschrieben hätte. In der Tat gehört
das grossartige A Day In The Life zu den raren echten
Lennon/McCartney Songs.
Lennon/McCartney
ein Marketinggag
Dass die Bezeichnung Lennon/McCartney nichts mit der Realität
zu tun hatte, ist heute genauso bekannt, wie der Ursprung
davon in Vergessenheit geraten ist. 1957, als John Lennon
und Paul McCartney ihre Abmachung getroffen hatten, waren
sie Teenager. John war 17 jährig, Paul 15. Da Liverpool
eine Hafenstadt mit einem amerikanischen Truppenstützpunkt
in der Nachbarschaft war, kamen die Rock n'Roll begeisterten
Jungs einfacher zu den amerikanischen Rock-Singles als anderswo.
Und die Credits auf den Lables der Singles von Elvis, Chuck
Berry und Co. waren oft Paare: Bacharach/Williams (Baby
It's You), Collins/Pennimann (Lucille) oder Goffin
King (Keep My Hands Of My Baby). Das bekannteste Autorenpaar
der Rock n' Roll Ära sind bis heute Leiber/Stoller geblieben,
deren Songs nicht nur von Elvis und den Beatles gesungen wurden: Stand By Me taucht alle 20 Jahre in einer Neuaufnahme
in den Charts auf. Sogar Carl Perkins und Chuck Berry schrieben
nicht alle Songs alleine.
Und wie
fasst man als Nachwuchskünstler in der Szene Fuss? Man
übernimmt die Usanzen. Co-Autorenschaft war also die
Regel und nicht die Ausnahme. Was Lennon/McCarntey von Leiber/Stoller
unterschied ist, dass die Liverpooler ihre Songs selber sangen.
Man kann getrost behaupten, dass Lennon/McCartney für
das Bandimage nützlich war. Dass sich diese Marke aber
innert kürzester Zeit zum erstklassigsten Brand entwicklen
würde, konnte man nicht ahnen. Sowohl Lennon wie auch
McCartney getrauten sich nicht, diesen Brand zu änderen
oder gar als Soloautor in Erscheinung zu treten. Die grössten
Chancen haben beim Get-Back Album im Frühjahr
1969 bestanden, eine Zeit in der die Beatles heilos untereinander
zerstritten waren. Das Album wurde verschoben und erst 1970
unter dem Titel Let It Be veröffentlicht, die
Co-Autorenschaft wurde beibehalten, nicht zuletzt, da es einen
Monat nach der offiziellen Trennung der Band erschien.
Ironie der
Geschichte ist, dass McCartney genauso an Give Peace A
Chance beteiligt war wie Lennon an Yesterday: nämlich
überhaupt nicht. In der Post-Beatles-Anthology Zeit kommt
auch niemand mehr auf die Idee, diese Songs beiden zuzuordnen.
Dennoch ist es seit Monaten ein medialer Dauerbrenner, dass
Paul McCartney die Credits auf seinen Livealben Back In
The USA bzw. Back In The World in McCartney/Lennon
gewechselt hat. Die Spalten in den Feuilletons werden gefüllt.
In den meisten Fällen bezieht McCartney Prügel für
seine Frechheit. Das Musikmagazin Rolling Stone hatte aber
richtig bemerkt, dass McCartney bereits anno 1976 bei der
Veröffentlichung der Liveaufnahmen Wings Over America die Credits vertauscht hatte. Und damals störte sich
niemand daran. Schon gar nicht John Lennon. Und so nahm auch
Yoko Ono Pauls Tat mit einem Schulterzucken hin. McCartney
betrieb die Geschichtsklitterung an Songs wie Hey Jude,
Let It Be, oder Michelle, die allesamt seit ihrer
Veröffentlichung dem soften Paul und nicht dem harten
John angerechnet wurden.
An der
Legende kratzen
Wenn schon Lennon/McCartney ein Marketinggag war, dann
war McCartney/Lennon erst recht einer. Dass Sir Paul ein geschickter
Verkäufer ist, weiss man. Ein Versehen kann ausgeschlossen
werden. Schliesslich erschien Back In The USA im November
in den USA und Back In The World im März, zum
Beginn der gleichnamigen Tournee. Und die Credits waren auf
beiden Alben die selben - wie auch die Plattenfirma, in beiden
Fällen war es Capitol. Viel wurde über McCartneys
Motiv gerätselt. Jean-Martin Büttner vermutete im
Tages Anzeiger, dass McCartney immer noch unter einem John-Lennon-Komplex
leide. Eine Annahme, die sich noch mit dem Argument des Egoisums
kombinieren lässt. Vielleicht aber dachte McCartney auch,
dass die Zeit reif sei, an der Legende zu kratzen und die
Namen zu vertauschen. Was spricht dagegen, eine Legende durch
die Wahrheit zu ergänzen? Vielleicht aber war es auch
nur ein Marketingtrick, um das Livealbum zu pushen, schliesslich
hatte er auch die Bealtes verlassen, um sein erstes Soloalbum
zu promoten.
Trifft letzteres
zu, so ist Pauls Kalkül aufgegangen, die halbe Welt spricht
über die vertauschten Namen, so als ob Coca Cola es gewagt hätte sich in Cola Coca umzutaufen.
Die mediale Schonfrist McCartney gegenüber, die er nach
dem Tod seiner Frau Linda erhalten hatte, ist offensichtich
abgelaufen. Die Kommentare sind wieder so hämisch wie
zuvor. Trifft aber die Vermutung zu, dass McCartney nur etwas
an der Legende kratzen wollte, so kann man die Medienberichterstattung
mit dem selben Argument abtun.
Lennon/McCarntey
ein Brand wie Adidas?
In den letzten Jahren hat die Serie Unglücksfälle
und Verbrechen in Bezug auf Markennamen Hochkonjunktur: Centerpulse
Novartis, Xsatra, Antalis, Atraxis oder Unique Airport wurden aus der Taufe gehoben. Es verschwanden bewährte
Brands wie Ciba, Sulzer Medica oder Bührle.
Der Brand ist das Kapital eines Unternehmens, das nicht wie
Börsenkurse einstürzen kann. Der Name Coca Cola
ist weit mehr wert als die Aktie. Und selbst nach dem Abbleben
einer Firma bleibt ein Name bestehen und erschweren der Nachfolgefirma
das Leben, wie das Beispiel Swissair/Swiss zeigt. Aber
ist dann eine Autorenschaft, die zumal in den meisten Fällen
nicht einmal stimmt, ein Brand wie Coca Cola? Die Antwort
lautet Jein.
Sie heisst
ja, weil jedermann weiss, dass es Lennon/McCartney heisst.
Das war während vier Jahrzehnten ein Erfolgslabel. Doch
die Musikszene hat sich gewandelt, die Rollling Stones sind
Artefakte einer längst vergangenen Zeit, selbst ihre
Altersgenossen erkennen sie nicht wieder, und die Beatles
wurden bei der Lancierung der Anthology Serie anno 1995/96
als the twentiest century greatest romance bezeichnet.
Eine Untertreibung. Längst sind die Beatles mit Mozart
auf einer Stufe und werden mit Shakespeare, Dante oder Leonardo
als absolute Titanen im Götterhimmel der kulturellen
Genies des zweiten Millenniums gehandelt. Man kann die oben
gestellte Frage auch mit nein beantworten. Eine Autorenschaft
ist keine Marke, schliesslich werden die wenigsten Autoren
bekannt. Oder weiss heute noch jemand, wer das Guggisberglied
oder das Nibelungenlied verfasst hat?
Abschliessend
lässt sich nur festhalten, dass ein Autor im Rahmen der
Autorenrechte mit seinem Werk machen kann, was er will. Und
das schliesst mit ein, dass er die Credits vertauscht. Man
mag Paul McCartney verstehen, dass er über drei Jahrzehnte
nach der Beatlestrennung die Berichtigung vorgenommen hat.
Wieviele Beatlesfans wollen wissen, wer denn nun wirklich
den Song geschrieben hat. Die Aufregung ist eine künstliche,
etwas, womit die Medien von SARS und Irak ablenken wollten.
Denn McCartney hat ja nicht John Lennon aus den Credits gestrichen.Unvorstellbar,
wie es aus dem Blätterwald gerauscht hätte, wenn
er es getan hätte.
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Der
Stein des Anstosses: Paul McCartney's Back In The USA und
Back In The World Alben.
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