Malen mit Klangfarben
28. Mai 2021
Boris Blank blickt auf die Geschichte von Yello zurück, zieht Bilanz über Remixes und erzählt von Erfolgen und Zweifeln. Er erklärt, wie er mit Klängen malt und verrät, woran er aktuell arbeitet.
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Was weckte Deine Begeisterung für Synthesizer?

Ich hatte schon immer eine Affinität für elektronische Instrumente und für Klänge, die schwer zu definieren sind, sei es bei Pink Floyd oder Sun Ra. Ich hörte auch Miles Davies, Pierre Boulez oder George Ligeti. Die Initialzündung war Herbie Hancocks Album «Sextant», in den Liner Notes las ich Arp Odyssey, was ein analoger Synthesizer war. Ich nahm einen Kredit auf, um einen zu kaufen, er kostete sicher 2000 Franken, was damals viel Geld war.

Die erste Yello-Single, «IT Splash», erschien 1979. Weshalb wird das 40-Jahr-Jubiläum nach 42 Jahren gefeiert?
(Lacht) Falls wir dafür eine Ausrede bräuchten, ist es so, dass vor vierzig Jahren unser wirklicher Erfolg einsetzte. Zuvor suchten wir einen Weg, um mit unserer doch exzentrischen Musik, für die wir auch ausgelacht wurden, kommerziell erfolgreich zu werden. Das passierte 1981/82. Nach einem ersten Vorschuss aus Amerika musste ich auch nicht mehr meiner beruflichen Nebenbeschäftigung nachgehen, sondern konnte von der Musik leben. Vor zwei Jahren kam die Idee auf, ein Album zum 40 Jahre Jubiläum zu machen. So ein Projekt braucht seine Zeit, wir mischten damals noch zwei andere Projekte fertig ab: die Live-DVD «Live At Montreux» und unser Album «Point».

boris blank live 2017 hallenstadion zürich
Boris Blank live im Hallenstadion Zürich.

Yello hatte damals das Studio in der Roten Fabrik. Was sind Deine Erinnerungen daran?
Es war eine tolle Zeit. Zum ersten Mal konnte ich laut Musik machen, weil ich nicht in einer Wohnung war und damit die Nachbarn verrückt machte. Es war auch eine Befreiung, weil ich arbeiten konnte, wann ich wollte. Tagsüber arbeitete ich im Nebenjob und abends bin ich von sieben Uhr bis morgens um zwei oder drei in die Fabrik gegangen. Das hat niemand gestört. Wir waren in einer Kulturgemeinschaft, nebenan waren Mummenschanz, die dort probten und ihre Kostüme ausprobierten. Es war eine Aufbruchsstimmung. Viele Leute waren euphorisch, und genossen die Freiheit, die damals noch etwas ungewohntes war. Die Kultur war damals noch viel enger heute.

Ihr seid aber nicht freiwillig ausgezogen?
Daran erinnere ich mich nicht mehr so genau. Ich glaube, dass es in diesen Kulturkreisen Leute gegeben hat, die es nicht gerne gesehen haben, dass wir tatsächlich von dieser Musik leben konnten, dass wir in den Medien waren und auch in Deutschland und Amerika Erfolg hatten. Daraufhin begegnete man uns etwas skeptisch. Ich habe das so nie direkt erlebt, aber ich hörte es munkeln, dass die Interessengemeinschaft Rote Fabrik fand, dass es angesichts unseres Erfolges Zeit wäre, unseren Platz Leuten freizugeben, die ihn nötiger hatten. So war es dann ja auch, wir sind ausgezogen.

Seid ihr direkt von der Roten Fabrik in Dieter Meiers Haus gezogen, wo noch heute dein Studio ist oder gab es eine Zwischenstation?
Nein, das war direkt. Das Studio ist im Gartengeschoss des Hauses von Dieters Familie. Dieter sagte, sein Vater könne ein Haus am Zürichberg kaufen, ich solle es doch einmal anschauen. Lustig war, dass ich das Haus kannte, weil ich damals als angelernter TV-Mechaniker die Antenne im Dachstock gesetzt und beim Montieren gedacht hatte:
«Wow, ist das ein schönes Haus». Es hat einen schönen Garten, der war aber damals verwildert.

Ein Markenzeichen von Yello sind die markanten Stimmen der Gastsängerinnen wie Stina Nordenstam oder Heidi Happy. Hast Du beim Komponieren bereits eine Person im Sinn oder wann ist der Zeitpunkt, jemand hinzuzuholen?
Das ist unterschiedlich. Oft habe ich wie ein Maler viele verschiedene Stücke in Arbeit. Ein Maler hat seine Bilder im Atelier, ich habe ich die Songs in verschiedene Folder aufgeteilt. Das sind Klangfarben und Patterns, die vorfabriziert sind, Versatzstücke, die in ihren Ordnern warten, bis sie herausgeholt werden. Und dann beginne ich damit musikalisch ein Bild zu malen und bin dabei auch überrascht, was herauskommt. Ich arbeite an einem Song und wenn ich das Gefühl habe, es wäre gut, wieder an einem anderen Stück weiterzuarbeiten, tue ich das. So sammeln sich die Stücke an. Irgendwann stösst Dieter hinzu und hört sich die Musik an. Es gibt immer wieder Stücke, bei denen ihm nichts dazu einfällt. Oder er findet, dass es geeignet für feminimen Gesang sei. Oft schlägt Ian Tregoning, der in England damals Do It Records aufgebaut hat, jemand vor wie Billy MacKenzie, Rush Winters auf «Vicious Games» oder Fifi Rong auf den letzten beiden Alben. Heidi Happy habe ich am Radio gehört und fand, dass sie eine tolle, charmante Stimme habe und telefonierte ihr danach ganz frech. Spontan sagte sie zu. Stina Nordenstam von «To The Sea» entdeckte ich durch Vangelis, sie sang «Ask The Mountains», ich fand, sie habe eine aussergewöhnliche Stimme. Sie kontaktierte ich über unsere Schallplattenfirma. Diese hat uns auch Gastmusiker wie Till Brönner angetragen.

Bei den Kooperationen gibt es auch immer Klangnuancen, die Frauenstimmen haben eine gewisse Helligkeit, die Dieters eher sonore, tiefe Stimme konterkarieren.

boris blank fifi rong yello live hallenstadion 2017
Fifi Rong begleitete Yello 2017 bei ihren Konzerten. Hier am 30. November im Hallenstadion Zürich.

Wie erinnerst Du Dich an die Zusammenarbeit mit ihm?
Billy war sehr schlagfertig, unglaublich spontan und schneller im Singen und den Harmonien, die er bis auf sechs Spuren übereinanderlegte, als ich alles aufnehmen konnte. Auch die Texte schrieb er schnell. Er verfasste den Text und die Leadmelodie von «The Rhythm Divine» in einer Viertelstunde. Wir nahmen den Song mit Shirley Bassey auf, obwohl er eine sensationelle Stimme hatte. Er wusste genau, was er wollte und fand in der Musik sofort eine Rolle, in der er sich entfalten konnte. Billy war ein Mensch, der nicht gerne flog. Er war lange Zeit mir in Zürich, weil er fand, dass dies genau die Musik sei, die er selber gerne machen würde. Ich habe weitere Songs von ihm intoniert, und er hat Songs von mir auf seine Platten genommen. Wir hatten ein sehr enges Verhältnis bis zu seinem Tod.

Was ist der Grund, dass Dieter und Du Euch in den Videoclips der 80er-Jahre oft prügelt?
(Lacht) Ich glaube, das ist mitunter ein kleiner Anteil unseres Erfolges, dass wir uns oftmals ein wenig in die Haare geraten, nicht dass wir uns schlagen, aber es gibt immer wieder Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Aber sie lohnten sich, die Kreativität hat nie darunter gelitten.

Ich gestalte die Musik mit gewissen Vorstellungen, wohin eine Stimme gehört. Als musikalischer Bildmaler ist es eine Komposition mit verschiedenen Farben und Tiefen, die Perspektive ist auch vorgegeben. Wenn Dieter diese Klangwelt betritt, hat er oft das Gefühl, ein wenig vergewaltigt zu werden, wohin er im Bild platziert wird. Das stimmt auch. In den letzten Jahren habe ich mich etwas zurückgenommen, damit er sich selber darin finden und eine Farbe sein konnte, bevor es zum Gesang kommt, der das Bild fertig ausmalt. Sonst sind wir sehr harmonisch, wir haben beide eine unglaubliche ironische Ader und denselben Humor. Wir lachen viel mehr miteinander als dass wir uns in die Haare geraten. Heute streiten wir uns viel weniger als noch vor zwanzig Jahren, als es hie und da noch richtig gerebelt hat. Das ist unsere Ironie, im Video einen Kampf zeigen anstatt alles als Friede, Freude Eierkuchen scheinen zu lassen, weil es dies bei den Aufnahmen auch nicht immer war.


Screenshot aus dem Videoclip zu «Tiger Dust»..

Eine lustige Szene gab es bei den Videos zu «Touch Yello». Electronic Beats, eine Tochterfirma der deutschen Telekom, hatte uns angefragt, ob wir live auftreten würden. Dieter war damals in Argentinien. Und weil er eher ein Mann ist, der sich gerne auf einer Bühne exponiert und ich das weniger bin, habe ich die Idee eines virtuellen Konzerts gehabt mit einer virtuellen Bühne und ebensolchen Hintergründen. Wir mieteten in Schlieren ein Studio, bei den Dreharbeiten waren viele Leute anwesend. Wir standen nebeneinander vor einem Green Screen und wir wussten nicht, was wir tun sollten. Ausser dass wir uns zu diesen Stücken auch bewegen sollten. Wie so oft, begannen wir uns spontan irgendwie zu bewegen. Wie bei einer Simultanübersetzung haben wir unseren Tanz aufgeführt. Die Leute klatschten am Ende und dachten, wir hätten ihn stundenlang eingeübt.

Das ist schwer zu glauben, wenn ich an «Tiger Dust» denke.
Das ist das Video mit den Buchstaben auf denen wir herumhüpfen. Wir sprangen da im Studio auf verschieden Kuben herum. Das ist ein richtig gutes Video. Aber auch hier war alles improvisiert.

Man sagt, dass sich Gegensätze anziehen. Dieter ist extrovertiert an der Front und Du arbeitest im Studio. Macht dieser Gegensatz einen Teil Eures Erfolges aus?
Auf jeden Fall. Es ist daher gut, dass wir im Gegensatz zu anderen Bands kein demokratisches System haben. Dieter ist oft unterwegs und hat seine anderen Projekte. Es ist ganz wichtig, dass wir uns nicht auf den Füssen stehen, sondern unabhängig voneinander unseren Job machen und zusammenkommen, wenn es nötig ist. Dieter hat dadurch sehr viel Freizeit und, man muss auch sagen, eine sehr komfortable Situation mit mir, dass er künstlerische Freiheit geniessen kann und doch unglaublich wichtig ist im ganzen Prozess. Er ist auch wichtig für Yello, er ist das Gesicht. Er ist aber auch derjenige, der mich in den grössten Unsicherheiten und Zweifeln stärkt und motiviert weiterzumachen.

Dieter Meier anerkennt dies auch öffentlich. In Interviews zu «Pocket Universe» staunte er darüber, dass du O-Ton «mit seiner Stimme Klavier gespielt» und damit Unvorstellbares gemacht hättest.
Das sind Prozesse, die damals technisch möglich wurden. Früher war das schwieriger. Auf den Multitrack Bandmaschinen hatte man nur wenige Tonspuren zur Verfügung, heute kann man mit hunderten Spuren jonglieren und auch extrem viel technisch verarbeiten. So kann man Stimmen breiter machen, sie verstellen, eine Stimme klarer klingen lassen, man kann wie Chirurg innerhalb einer Stimme schneiden. Die ganze Bearbeitung ist wie mit einem Mikroskop und dadurch auch subtiler geworden. In anderen Berufen ist das schon länger der Fall als in der Musik.

dieter meier 1994 yello
Dieter Meier gibt 1994 während des Interviews mit Radio 24 jemanden im Jelmoli ein Zeichen, erkennt mich aus dem Augenwinkel und bleibt so lange stehen, bis ich ihn fotografiert habe.

Was reizt dich an Remixes?
Ich bin eigentlich kein Freund von Remixes. Im Gegenteil: wenn etwas veröffentlicht wurde, war es für mich immer fertig. Es sind ja andere Musiker, die uns remixen. Es wurden sicher über 100 Remixe von Yello Songs gemacht. 15 Prozent davon, maximal 20 gefallen uns auch wirklich. Oftmals findest du in den Remixes wenig von der DNA oder der Signatur von Yello, die Musiker beschäftigen sich mit ganz wenigen Elementen aus unseren Songs und am Ende ist es quasi mehr die Person, die den Song neu abmischt und eigene Elemente hinzufügt. Ich selber remixe auch nicht gerne. Ich habe einige wenige gemacht. Es waren dann eher Extended Versions wie bei «I Love You» oder «Bostich». Eigentliche Remixe, zu denen in Clubs auch getanzt wird, wie das später in den 1990er-Jahren gang und gäbe war, das war nicht meine grosse Stärke. Wir haben aber dennoch die Raves bedient.

Ich finde es spannend, dass man von den «Jungle Bill»-Remixes an über das Album «Zebra» und dessen Singles und Remixes bis zu «Pocket Universe» einen roten Faden und eine Evolution erkennen kann.
Das war nachdem sich Yello mit eigenwilliger und erkennbarer Musik etabliert hatten. Das war aber auch ein Moment in unserer Karriere, in dem ich eine gewisse Unsicherheit verspürte, als unsere «Jünger», die sich durch unsere Musik hatten beeinflussen lassen, plötzlich so an Statur gewonnen hatten. Ich bin ich dann sozusagen auf einen Nebenpfad zu unserer musikalischen Hauptstrasse geraten. Damals verwendete ich für ein Album, ich denke es war «Pocket Universe», auch Rave-Elemente und auch das Tempo. Ich habe aber gerade dadurch wieder zu meinen musikalischen Wurzeln zurückgefunden, die das Gesicht von Yello geprägt haben. In den Kritiken zu unseren letzten Platten hiess es aus den USA und England und eigentlich von überall, dass wir wieder zu den Wurzeln zurückgefunden haben. Das ist ja nie gewollt, sondern eine spontane Entwicklung in der Musik. Wenn ich Musik mache, arbeite ich ja nicht wie ein Musiker, der mit Instrumenten etwas aufbaut. Die Leute fragen mich oft, wie ich das schaffe, dass man nach wenigen Takten erkennt, dass es sich um einen neuen Song Yello handelt. Das ist mitunter an den Klangfarben, die ich mit Vorliebe verwende und liegt wohl auch an meiner Arbeitsmethode.

1995 erschien ein Remixalbum. Wie hast Du «Hands On Yello» erlebt?
Das war eine Zeit, in der wir, wenn man so will, beklaut wurden. In den Clubs hörte man immer wieder Versatzstücke und Sounds, die uns quasi aus den Platten geklaut wurden, beispielsweise Passagen von «The Race». So kam Urs Spielmann auf die Idee, dass wir mit den Leuten eine Platte herausgeben, die sonst mühsam ihre Samples von unseren CDs nehmen müssten. So haben wir sie eingeladen, dass sie von den Songs, die ihnen gefallen, direkt von den Multitrack Tapes, also unseren Originalspuren, ihre Samples machen können. Verschiedene Leute haben sich gemeldet: Carl Craig, Carl Cox, Ilsa Gold oder Moby. Sie haben uns damit ihren Tribut gezollt. Sie kamen einzeln nach Zürich und konnten die Samples auf DAT Kassetten mitnehmen. Wir waren darüber erstaunt, was für Phantasien mit Yello in Zusammenhang gebracht wurden. Es war eine lustige Zeit, mit allen hat man Abende verbracht und diskutierte über die Szene, erfuhr von Carl Craig, was in Detroit los war, Carl Cox war aus Australien zurückgekehrt und berichtete davon, ich erfuhr mehr von der Rave Szene in Ibiza. Es bildete sich eine interessante, illustre Gesellschaft um Yello, die bis heute besteht. Kürzlich habe ich mit Rolf Elmer von Jam & Spoon telefoniert, er möchte einen Remix von einem Remix von «You Gotta Say Yes To Another Excess» machen und wollte das mit mir abklären. Die Samples hat er ja noch von damals. Carl Craig sehe ich oft, letztes Mal machte ich in London für ein Medium ein Interview mit ihm im Taxi zum City Airport. Er ruft auch an, wenn er in Zürich auflegt. Mit Carl Cox nahm ich für «Pocket Universe» den Song «Magnetic» auf.


Am 22. Oktober 1994 gaben Yello live im Jelmoli Zürich ein Interview für Radio 24 anlässlich des Erscheinens ihres Albums «Zebra».

In der Schweiz war die Yello-Musik allgegenwärtig, DRS 3 verwendete sie für Jingles, sie wird auch in der Werbung verwendet. Du hast aber auch Musik für Werbung gemacht. Gehst Du anders ans Werk, als wenn Du Musik für Yello komponierst?
Auf jeden Fall. Ich erhalte die Storyboards, zu denen ich mir überlege, was dazu passen würde und was der Spot für eine Stimmung haben soll. Das ist für mich immer eine sehr schöne Arbeit. Und herausfordernd, du musst auf 30 Sekunden etwas auf den Punkt bringen und es muss eine Choreografie haben. Am Ende wird es noch auf je eine Version von 5 und 15 Sekunden gekürzt. Das ist viel Arbeit, viel mehr als man denkt. Wir haben Musik gemacht für Thierry Mugler, Orangina, Seat oder Levi’s Jeans. Für mich war das nie despektierlich oder dass ich mich verkauft hätte. Wir sind in den USA mit «Oh Yeah» für ganz viel Verschiedenes behaftet. Der Song erschien 1985 und ist immer noch ein Thema. Hätte man mir das damals gesagt, ich hätte nur gelacht. Denn wir haben «Oh Yeah» selber nicht als Single betrachtet und glaubten auch nicht, dass so ein Song in die Hitparade kommen kann, geschweige denn heute noch ein Thema sein würde. Das kam auch wieder durch Ian Tregoning zu Stande, der den Song im Film «Ferries Bueller’s Day Off» platzieren konnte. Dafür war er extra nach New York gereist und hat die Filmproduzenten getroffen.

In den Nullerjahren erschienen nur die zwei Alben, das jazzige «The Eye» und «Touch», war das ein Jahrzehnt des Durchatmens?
Wahrscheinlich hat es sich einfach so ergeben. Ich kann nie sagen, wie ein neues Album sein wird, weil ich nie Konzept dafür habe. Wenn «The Eye» mehr jazzig war, dann war das vielleicht so. Ich kann gar nicht mehr sagen, wie ich sie zusammengestellt habe. Es ist immer ein Abenteuer und eine schöne Reise, vor allem im Entstehungsprozess, bevor dann auch der eher mühevolle administrative Prozess beginnt, bei dem ich die Sounds und Klangfarben so ordne, dass sie ein Bild zeigen, in das man auch hinein gehen kann und sich durch diese Welt dreidimensional bewegen kann, statt sie nur von aussen betrachtet, wie bei einem zweidimensionalen Klangbild.

2012 erschien von Dieter Meier «Out Of Chaos», von Dir 2014 «Electrified » Gab es einen Grund?
Ein Grund für «Electrified» war, dass wir das Studio umgebaut haben. Wir wechselten das grosse analoge Mischpult mit 48 Kanälen aus, haben die analogen Bandmaschinen rausgenommen und alles redimenisoniert. Jetzt sind es «nur noch» digitale Apparaturen. Im Studio gab es viel Bandmaterial. Wir kämpften uns da durch, wiederum mit Ian Tregoning, der für mich ein ganz wichtiger Spielpartner war. Er fand: «Hey, Boris, let’s do a boxset including all this beautiful old stuff.» Obwohl es nur kurze Stücke waren, hat es hat eine grosse Freude gemacht. Es hat heute noch sehr viel Material. Im selben Jahr ist auch die Arbeit mit Malia herausgekommen. Sie hatte zunächst die Idee für wenige Stücke. Schliesslich wurde ein ganzes Album daraus. Etwas mehr Boris alleine war durchaus eine interessante Erfahrung. Wenn ich «Electrified» höre, war es ein kleiner persönlicher Meilenstein. Ich bin froh, dass die Songs auf diese Weise gesichert wurden, und die Tapes nicht untergegangen sind.


yello malia live 2017 zürich hallestadion
Boris Blank, Malia und Dieter Meier vereint beim Konzert im Hallenstadion Zürich am 30. November 2017.

War «Out of Chaos» auch wegen dem Studioumbau?
Nein. Es war mehr, wie ich schon sagte, dass Dieter jemand ist, der gerne seine Kunst und Musik öffentlich offenbart. Ich war mehr derjenige, der sagte, dass unsere Musik sehr schwierig sei, auf eine Bühne zu bringen, ohne dass, wie wir das schliesslich 2016/17 tatsächlich gemacht haben, mit Musikern aufgeführt wird. So hat Dieter immer ein wenig gelitten, weil es sein Wunsch war, etwas zu machen und mit Leuten auf einer Bühne zu sein und die Reaktionen auszutauschen. Da kam er bei mir immer zu kurz. Er sagte immer wieder:
«Komm Boris wir machen Konzerte». Und ich sagte:
«Nein, was soll ich wie die Pet Shop Boys mit einem Lap Top auf die Bühne, den Startknopf drücken und mit dem Füdli gwaggeln und den Kopf schütteln und vorgeben, dass alles live sei?» Ich gehe lieber ins Konzert, wie damals bei James Brown, bei dem alles live gespielt wird, anstatt dass es gefakt ist mit vorproduzierten Sachen, der Gesang wäre live gewesen. Das hätte mich frustriert.

Lustigerweise war es auch wieder Ian Tregoning, der fand, dass die damals aktuelle Platte, «Toy», so geile Musik sei, dass es super wäre, diese Musik man irgendwie live aufzuführen. Ich fand, dass wir das machen sollten, bevor wir mit Rollatoren über eine Bühne rutschen und Yello tatsächlich noch live präsentieren sollten. Wir gingen nach Berlin und suchten eine geeignete Lokalität. Ich fand die Akustik im Kraftwerk furchtbar, aber Dieter fand, es wäre geil, die Konzerte in diesem Industriegebäude zu machen. Ich bin in der Folge sehr oft nach Berlin gefahren und übte mit den Musikern alles ein und erhielt so das Vertrauen, dass alles auf der Bühne funktionierten würde. Es brauchte etwas Überwindung. Mindestens der erste Abend in Berlin – wir sind ja mehrmals aufgetreten, bei der IFA, der internationalen Funkmesse traten wir Openair auf – der erste Abend war eine komische Stimmung, man ist unsicher, man hat sehr Respekt vor dem Publikum. Aber mit dem Applaus und als ich die Gesichter in der ersten Reihe sah, die Reaktion des Publikums spürte, war ich sehr schnell entspannt und es hat mir Freude gemacht. Die Leute kommen ja, weil sie Yello mögen. Es war eine gute Stimmung und ein guter Schritt, das mal live zu produzieren.

yello live hallenstadion zürich 2017
Von wegen Duo: Bei den Yello-Konzerten 2016/17 spielten 14 Personen auf der Bühne. Hier im Hallenstadion Zürich.

Gab es einen Unterschied zu den Auftritten Anfang der 80er-Jahre?
Das kann man nicht vergleichen. Die Auftritte in New York dauerten nur 20 Minuten. Das war alles mit dem Fairlight, den ich zuvor programmiert hatte. Dieter sang live, ich auch, aber mit dem Drücken des Startkopfs des Fairlights lief das Programm ab. Tatsächlich fiel am ersten Abend der Strom aus, d.h. als er wieder einsetzte, musste man den Fairlight neu starten und nochmals von Anfang an spielen. Das lässt sich nicht vergleichen mit der ganzen Übung von zwei Stunden mit Videoproduktionen und den LED-Wänden, am Ende waren 14 Leute auf der Bühne. Die Stücke wie «The Race» mussten so aufbereitet werden, dass sie live von den Bläsern gespielt werden konnten. Das allermeiste war live und eine ganz andere Situation. Das Hallenstadion war fast der schwierigste Gig, weil der Zahnarzt und der Anwalt und die Schwestern auch da sein werden. Das war herausfordernd, bei den ersten zwei Stücke. Dann spürte man, dass viel vom Publikum zurückkam und dass es gut kommen wird. Supergeil war Montreux am Jazzfestival, das fand ich eines der besseren Konzerte, und das letzte in Deutschland in Köln. Von der ersten Sekunde her fuhren die Leute ab, es war eine Freude. Das spürst du tatsächlich. Wie Dieter sagte, du reitest auf einer Welle.

Wie kommen die Titel zustande?
Die Musik machen ist eine grosse Freude, aber am Ende, wenn die Plattenfirma drängt, weil sie das Album ankünden will, ist es gar nicht einfach, einen guten Titel zu finden. Beim letzten hatte ich dutzende Ideen, sass mit Dieter zusammen, er hatte gute Ideen. Schliesslich rief mich Dieter von Buenos Aires aus an und sagte:
«Boris ich glaube ich habe den Titel, muesch lose»
Ich sagte: «Ja, okay?»
Und er: «Was meinsch: Point?»
Da wusste ich, dass dies der Titel ist, weil er vieles bedeutet, z.B. Point of view. Man spürt jeweils, ob es passt. Das war bei «One Second» so. Oder «Solid Pleasure», der von mir kam und Dieter ganz gut gefiel.

Jetzt erscheinen die Alben wieder auf Vinyl?
Ich bin nicht ganz im Bilde, es gibt eine oder zwei Platten, die noch nie auf Vinyl erschienen waren. Da die Affinität vieler Menschen Richtung Vinyl zurückgeht, hatte die Schallplattenfirma eine grosse Nachfrage danach. Weshalb die Alben nun neu aufgelegt werden.

Ein letztes? Was machst Du aktuell?
Es wird im November ein Buch im Patrick Frey Verlag rauskommen, das auch «40 Jahre» heisst.

Und im Moment bin ich an einem Projekt in Baden. Dort entsteht ein neues Thermalbad, das Mario Botta gebaut hat. Ich bin für die Akustik zuständig und mache auch Musik. Das ist eine Herausforderung. Ich habe bisher noch nie Musik im Mediations- und Entspannungsbereich gemacht. Es muss wohlklingend sein, ohne zu kitschig zu werden. Die ersten Stücke kamen gut an.


yello yellofier song hallensatdion 2017 zürich live
Boris Blank und Dieter Meier kreieren live einen neuen Song auf der Yellofier-App, die Boris Blank entwickelt hat.



Tracklists:
2 Vinyl:
Disc 1:
Bimbo

Bostich (N'est Ce Pas?)
Vicious Games
Oh Yeah
Jungle Bill (Single Version)

Tremendous Pain
Mean Monday
The Expert
Waba Duba
The Race (Live In Berlin 2016)

Disc 2
Desire
Drive/Diven
The Rhythm Divine (Essential Version)
You Better Hide
Till Tomorrow

30'000 Days
Starlight Scene
Spinning My Mind (Video Version)
Liquid Lies
Meet My Angel
Way Down


2 CD
Disc 1:
Bimbo
Pinball Cha Cha
The Evening's Young
Bananas To The Beat
I Love You
Lost Again
Bostich (N’est Ce Pas?)
Daily Disco
Vicious Games
Oh Yeah

Blender (Re-Touched 2021)
Goldrush
Tied Up (7" Version)
La Habanera
Rubberbandman
Jungle Bill (Single Version)
Night Train (Re-Edited 2021)
Tremendous Pain
Houdini (Re-Edited 2021)
Base For Alec
Liquid Lies

Disc 2:
Electrified II
Soul On Ice
Don Turbolento
Planet Dada
30 000 Days
Arthur Spark
The Vanishing Of Peter Strong
Distand Solution
Mean Monday
Cold Flame
Dialectical Kid
The Expert
Basic Avenue
Waba Duba
Limbo
Spinning My Mind (Video Version)
Tiger Dust (The Virtual Concert)
Way Down
Hot Pan
The Race (Live In Berlin 2016)


Limited Edition
4 CD Earbook:
CD1:

Bimbo
Pinball Cha Cha
The Evening's Young
Bananas To The Beat
I Love You
Lost Again
Bostich (N'est-ce Pas?)
Daily Disco
Vicious Games
Oh Yeah
Blender (Re-Touched 2021)
Goldrush
Tied Up (7” Version)
La Habanera
Rubberbandman
Jungle Bill (Single Version)
Night Train (Re-Edited 2021)
Tremendous Pain
Houdini
Base For Alec
Liquid Lies

CD2
Electrified II
Soul On Ice
Don Turbulento
Planet Dada
30 000 Days
Arthur Spark
The Vanishing Of Peter Strong
Distant Solution
Mean Monday
Cold Flame
Dialectical Kid
The Expert
Basic Avenue
Waba Duba
Limbo
Spinning My Mind (Video Version)
Tiger Dust (The Virtual Concert)
Way Down
Hot Pan
The Race (Live In Berlin 2016)

CD3:
Solar Driftwood
Out Of Dawn Stay (Feat. Heidi Happy)
Drive / Driven
Time Palace
Tangier Blue
Friday Smile
Till Tomorrow (Feat. Till Brönner)
Moon On Ice
Kiss The Cloud (Feat. Fifi Rong)
Capri Calling
Desire
You Better Hide (Feat. Heidi Happy)
The Rhythm Divine (Feat. Shirley Bassey – Essential Version)
Starlight Scene
Otto Di Catania
Meet My Angel (Feat. Fifi Rong)
Pacific AM

CD 4, Remixes:
Do It (Marky P. & Teri B. Dub)
Limbo (Circle Sky Mix)
Electrified II (Carl Craig Mix)
How How (Papa-Who-Ma-Mix)
Bostich (DJ Hell - Brighter Mix)
Squeeze Please (Oliver Moldan - Vocal Remix)
Oh Yeah (Ralph Rosario - Big Room Vocal Mix)
More (Rockabilly Mix - Boris Blank)
Vicious Games (Mark Reeder's Wet & Hard Mix)
Takla Makan (Martin Roth Mix)
Planet Dada (Northern Light Mix)
Topaz (Insect Mix - Boris Blank)


Erschien am 28. Mai in der Ausgabe 5/2021.

PDF Download des Interviews mit einer Yello Playlist. (7.5 MB)

 

 

 

 


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