«Fuck a duck, that’s Paul!»
16. Mai 1980
«McCartney 2» ist Pauls sperrigstes und schrägstes Album und wurde 1980 verkannt. Heute gilt es als ein Pionieralbum des Elektropops. Die Single «Coming Up» inspirierte John Lennon ein letztes Mal.
Bewertung: * * * * 1/2


Links zu den einzelnen Kapiteln:
anhaltende Negativpresse
 Vorsicht, willkommen, ja
die Rivalität zwischen John und Paul
 die konventionellen Songs
die Singles
 die Videos 1980 und 2011
die Versionen
 Rezeption und Statistik



Mitte der 1960er-Jahre wollte Paul ein Album aufnehmen, das er ohne die Beatles veröffentlichen wollte, mit dem Titel «Paul McCartney Has Gone Too Far». Ein Album Namens «Paul McCartney ist zu weit gegangen» hätte damals niemand überrascht. Denn treibende Kraft hinter der bis heute bewunderten musikalischen Spätphase der Beatles, mit Alben wie «Sgt. Pepper» oder «Abbey Road», war Paul. Ein solches Album ist nie erschienen, dennoch findet man in McCartneys Werk immer wieder experimentelle Songs wie «Kreen Akrore» oder «Où Est Le Soleil?» oder das Trancealbum «Strawberries Ocean Ships Forrest» (1993). Am meisten den Geist des unveröffentlichten Sechzigerjahre-Albums strahlt das 1980 veröffentlichte «McCartney II» aus.

anhaltende Negativpresse
Im Juli 1979 verbrachte Familie McCartney ihre Sommerferien, wie die Jahre zuvor, auf der familieneigenen Farm in Schottland. In der Scheune der Lower Ranachan Farm in Campbeltwon auf der Halbinsel Kintyre hatte Paul das Rude Studio eingerichet. Hier erarbeitete er viele seiner Songs. Seine jüngste Veröffentlichung, «Back To Egg» mit den Wings, war erst vor wenigen Wochen erschienen. Doch das Album, Pauls bis dato rockigstes Album seit den frühen Beatlestagen, gefiel vielen Kritikern und Fans und nicht und verkaufte sich nicht den Erwartungen entsprechend. Auch Paul wertete das Album, zermürbt durch die anhaltende Negativpresse und den niedrigen Verkäufen als Flop.

Das Stottern des McCartney’schen Motors lässt sich aus heutiger Sicht erklären: Paul meinte, aus dem ewig gleichen Kreislauf ausbrechen zu müssen. Und so begann das Projekt damit, dass Paul ohne jegliche Song- und Veröffentlichungsabsicht für zwei Wochen mit dem Synthesizer und verschiedenen Bandgeschwindigkeiten herumspielen wollte. Es wurden schlussendlich sechs Wochen, die Paul 1980 in Interviews als totale Freiheit bezeichnet hatte. Wie er anlässlich der Veröffentlichung von «McCartney 2» im TV Special «Meet Paul McCartney» sagte, hätte er mit dem Wissen um eine Veröffentlichung ordentlich Bammel gekriegt.

paul mccartney mccartney2 recording scottland
Linda McCartney dokumentierte die Entstehung des Albums. Hier Paul in seinem schottischen Studio beim herumspielen.


Dass die andauernd schlechten Rezensionen nicht spurlos an Paul vorüber gingen, erklärte er 2011 anlässlich der Wiederveröffentlichung von «McCartney 2» in der Archive Collection: «Es war eine Art von Rückzug von allem (…) Grundsätzlich dokumentiert (das Album) bloss meine Entdeckung des Synthesizers». Und er ergänzt im Hinblick auf das mediokre Medienecho von damals: «Wir hatten auf unsere Kritiker gehört, was wirklich schade ist. Deshalb war es schön, endlich aus diesem Tunnel zu herauszukommen.»

Mal nicht auf die Kritiker zu hören, hiess auch, dass Paul weniger am Ausarbeiten ausgefeilter Songs denn am Ausloten der Möglichkeiten des Synthesizers interessiert war. Gleichzeitig experimentierte er mit verschiedenen Bandgeschwindigkeiten. Er nahm seinen Gesang auf und variierte ihn über eine Vari-Speed-Maschine. Liess Paul das Band schneller laufen, war seine Stimme höher, lief es langsamer, klang seine Stimme tiefer und verzerrter. Bei den heutigen digitalen Aufnahmen läuft die Stimme schneller oder langsamer, ohne dass dabei die Tonhöhe verändert wird.

Bei den Aufnahmen zu «McCartney 2» verwendete Paul ein 16-Spur-Tonband von Studer, das er als glorified cassette recorder bezeichnete. Was aus heutiger Sicht absurd klingt, Elektropop mit analogen Geräten aufzunehmen, war damals Standard, die ersten digitalen Geräte kamen in den 80er-Jahren auf den Markt. Und Paul McCartney war mit «Tug Of War» 1982 einer der ersten, der auf die digitale Aufnahmetechnik gesetzt hatte.

Vorsicht, willkommen, ja
Als erster Song entstand «Check My Machine», ist Pauls Spielerei, um die Verkabelung seines Synthesizers zu überprüfen. «Er benötigte dazu überhaupt keinen Tontechniker, der ihm zur Seite stand», erzählte Pauls langjähriger Tontechniker Eddie Klein, «er wollte viel mehr die Möglichkeit haben, aufzunehmen, wann immer ihm der Sinn danach stand.» «Check My Machine» macht klar, wohin McCartneys Fahrt aus dem Kritikertunnel führen sollte: Zu Musik, die er ohne Rücksicht auf Verluste einspielte. Ein Rezept, das er in den 90er- und 00er-Jahren noch öfter anwenden sollte.

Zunächst beginnt «Check My Machine» mit dem Dialog «Hi George» – «Morning Terry», dann folgen verfremdete Schreie, bevor ein stolpernder Gitarren-Loop einsetzt, über den Paul im Falsett und mit erhöhter Bandgeschwindigkeit «Check My Machine» ruft, das durch eine Echomaschine Wah-Wah-ähnliche Stimmeffekte erzeugt, wobei Pauls Gesang an David Gilmours Gitarre erinnert. Passend zum Rhythmus der Gitarre versucht sich Paul im Scat versucht. Am Schluss mokiert er sich als George und Terry über die Medien: «Here come the brit journals. British journies with their tape machines.» – Und dann auf Deutsch: «Vorsicht! Willkommen! Ja, ja, ja.»


Paul nimmt Schlagzeugparts für «McCartney 2» auf.

«Nobody Knows» ist wie «Check My Machine» ein Synthesizer Song, dieses Mal mit künstlichen Flöten. Er war ebenfalls einer der ersten, die Paul für das Album eingespielt hatte. Einespielt hat er ihn im Front Parlour der Farm, also in einer Art Vorraum, der einen kleinen Kamin hatte. Die Wände waren mit Wellkarton isoliert. Im Front Parlour standen die Aufnahmemaschinen, das Schlagzeug war in der Toilette, die Küche diete als Echokammer.

«Darkroom» ist die Quintessenz des Albums. Sowohl Synthesizer Sounds als auch die über die Vari-Speed-Maschine veränderte Stimme setzen sich zu einem Ganzen zusammen, das den experimentellen Beatles Songs in nichts nachsteht. In Interviews gab sich Paul bezüglich des Titels wohl naiver als er ist: «Dieser Song hat nicht unbedingt mit Linda (als Fotografin) zu tun, sondern es könnte ein dunkel angemalter Raum sein oder ein Junge, der sein Mädchen in seinen Darkroom bittet.» In Discos ist der Darkroom schlicht der Raum, worin es sexuell zur Sache geht.

die Rivalität zwischen John und Paul
Die Aufnahmen zu «McCartney 2» führte Paul nach seinem persönlichen Schema F durch: Zunächst nahm er einen Schlagzeugtrack auf, später fügte er Gitarre und Bass hinzu. Diese schichtweise Auslegung der Songs erinnert ihn an Töpfern: «Es ähnelt stark dem Modellieren mit Ton, wo du dasitzt und einfach einige Klumpen Ton nimmst, die du nach und nach zu einem Gesicht oder einer Vase formst». «Coming Up» entstand so. Das funkige Fundament des Songs wurde elektronisch verfremdet.

Seit ihrem ersten Zusammentreffen 1957 waren John Lennon und Paul McCartney die besten Freunde. Dennoch war ein jeder eifersüchtig auf das musikalische Talent des anderen. Und so stachelten sie sich in den Sechzigern zu immer besseren Songs an, um einander zu übertrumpfen. Zwar erschienen ihre Songs weiterhin unter der Marke Lennon/McCartney, was oft nicht mehr den Tatsachen entsprach. Nach der Trennung der Beatles war John und Pauls musikalische Rivalität für fast ein Jahrzehnt eingeschlafen, jeder versuchte als Musiker und Künstler Tritt zu fassen. Zudem hatte sich John nach Geburt seines Sohnes Sean aus dem Musikgeschäft zurückgezogen. «Coming Up» erweckte im Frühling 1980 die Rivalität zu neuem Leben.

paul mccartney 1980 coming up video
Screenshot aus dem Video von «Coming Up».


Lennons Assistent Fred Seaman wurde Zeuge der Begebenheit: John hatte uninteressiert am Regler seines Autoradios gedreht und dabei zwei Beatles Songs kommentarlos weggedreht. Dann erkannte er Pauls Stimme in einem neuem Song. Zunächst runzelte John die Stirn ehe er begeistert «Fick die Henne, das ist Paul!» rief. Er drehte das Radio lauter headbangte im Rhythmus des Songs. Es war die Studioversion, den der Ansager erwähnte in der Abmoderation, dass Paul alle Instrumente selbst gespielt hätte. «Das ist typisch Paul, er wäre schon immer am liebsten ein Ein-Mann-Orchester gewesen», kommentierte John und beauftragte Fred Seaman, «McCartney 2» zu kaufen. Als Seaman anderntags zu John ins Appartement im Dakota Gebäude kam, sagte dieser fröhlich: «Ich werde noch verrückt», und sang «Coming Up».

Gemäss Seaman zollte John Paul Anerkennung, weil er etwas Neues versucht und dies ohne Rücksicht auf Verluste veröffentlicht hatte. Seaman hegte den Verdacht, dass Lennon sich in seiner Rolle als Hausmann bestätigt sah, solange Paul seiner Ansicht nach bloss Dutzendware veröffentlicht hatte. «Coming Up» jedoch stachelte seinen Ehrgeiz wieder an. Im Sommer 1980 schrieb er ein Dutzend Songs, wovon er die Hälfte im November auf den Album «Double Fantasy» veröffentlichen sollte.

Paul weiss um die Tatsache, dass er seinen Jugendfreund zu dessen letzten Effort angestachelt hatte: «Ich bin sehr stolz auf ‹Coming Up›, weil der Song John inspiriert hat… Und er danach dachte: ‹ich kneif mich besser in den Arsch und schreibe gute Musik›». «Beautiful Boy», Johns Ballade für seinen fünfjährigen Sohn Sean auf «Double Fantasy», ist einer von Pauls Lieblingssongs.

die konventionellen Songs
«McCartney 2» enthält vier konventionelle Songs, der erste ist «On The Way», ein klassischer Zwölftakter. Obwohl McCartney ein grosser Liebhaber des Blues ist, hat er wenige Bluessongs geschrieben. Paul wäre nicht sich selbst, wenn er hier nicht auch die ausgetretenen Pfade spiegelverkehrt gegangen wäre. War David Gilmour von Pink Floyd mit seinen Echo-Effekten einer der prägendsten Gitarristen der 70er-Jahre, beliess Paul die Gitarre, wie er sie gespielt hatte, führte aber seine Stimme durch ein Echo-Gerät. Ein gekonntes, aber auch für Ohren aus dem 21. Jahrhundert ein gewöhnungsbedürftiges Klangexperiment. Zu Beginn hatte Paul die Schlagzeug- und Bassspur aufgenommen und den Song über einen Monat ruhen lassen. Erst nachdem er eine Dokumentation über Blues gesehen hatte, vollendete er die Aufnahme.

«Waterfalls» stammte aus den Aufnahmen zu «Back To The Egg», doch die Wings haben ihn nicht fertig eingespielt. «Nach der Hälfte des Albums, wurde mir ein bisschen langweilig. Ich hatte bis dahin ungefähr acht Tracks fertiggestellt und dachte, ich sollte etwas anderes machen. Also beschloss ich, einen Song zu nehmen, der bereits geschrieben war und das war damals mein Favorit» erzählt Paul.«Waterfalls» wurde zunächst mit Gesang und E-Piano aufgenommen, der Synthesizer-Streicherpart wurde anschliessend aufgenommen.


Paul und Eisbär Olaf. Screenshot aus dem Video von «Waterfalls».

Trotz seiner technischen Spielereien ist «Boogey Music» eher konventionell und ist ein Höhepunkt auf dem Album, bei dem Saxophone den Rock'n'Roll Rhythmus spielen. Der Text basiert auf dem Kinderbuch «Fungus The Boogeyman». Die Boogeymen mögen alles, was die Menschen nicht mögen, leben unter der Erdoberfläche und kommen nur nachts hervor, um die Menschen zu erschrecken. Jemand hatte Paul das Buch gesandt, weil er Musik zu einem Film gewünscht hatte. «Dieses Buch lag im Studio herum und eines Tages schlug ich zufällig die Seite auf, wo die jungen Leute aus dem Boogeyland gegen die alten Machthaber und Machenschaften zu rebellieren begannen. So entstand der Song», erzählt Paul.

«One Of These Days» lässt das Album in Wohlklang ausklingen lässt. Paul zupft die akustische Gitarre, die entfernt an «Blackbird» erinnert. Der Song entstand, als ein Hare Krishna Jünger bei Paul aufgekreuzt war. «Nachdem er gegangen war, ging ich ins Studio und dieser positive Eindruck hing noch ein wenig nach.»

die Singles
Die erste Single aus den «McCartney 2»-Aufnahmen war im November 1979 «Wonderful Christmastime». Obwohl Paul den Song unter seinem Namen veröffentlichte, wirkten im Videoclip die Mitglieder der Wings mit. Sie spielten auch den Song, «Wonderful Christmastime» und «Coming Up» waren in der Setlist der «Wings UK-Tour» im November und Dezember 79.

Beim Abschlusskonzert in Glasgow am 17. Dezember tanzte ein Junge in der ersten Reihe derart ausgelassen zu «Coming Up», dass Paul die Gewissheit hatte, dass der Song ein Hit werden würde. Die Wings waren wie bei der Welttour von 1975/76 mit einer Bläsersektion ergänzt. Paul liess jedes der Konzerte aufnehmen. Das Konzert von Glasgow war im April 1980 von Eddie Klein für ein Livealbum abgemischt worden, das bis heute nicht offiziell, ausser auf Bootlegs wie «Last Flight», erschien. Die Glasgower Version von «Coming Up» war die B-Seite der Single. Der zweite Song auf der B-Seite, «Lunch Box/Odd Sox», war der erste Song, den die Wings 1974 in Nashville bei den Sessions zu «Venus And Mars» eingespielt hatten.

Eine zweite Live-Version von «Coming Up» erschien Anfang 1980 auf dem Benefiz-Sampler «Concert For The People Of Kambuchea», bei dem die Wings eine zusätzliche Strophe gesungen haben.

Zunächst erschien «Coming Up» in den USA so wie im Rest der Welt mit der Liveversion auf der B-Seite. Da diese aber viel mehr Airplay erhielt, vertauschte Columbia Records die Seiten, mit identischer Bestellnummer. Sowohl die Original- als auch die Liveversion eroberten die Spitze der Billboard Charts.

Als zweite Single wurde «Waterfalls» ausgekoppelt. Sie gilt als typische McCartney Klavierballade. Mit dem Unterschied, dass sie auf einem elektrischen Piano statt auf einem Flügel eingespielt worden war. «‹Steig bei niemandem ins Auto. Sprich nicht mit Fremden.› Dieser Song wurde geschrieben, als Linda und ich als Eltern viel Zeit damit zu verbringen schienen, die Art von Ratschlägen zu verteilen, die Eltern ihren Kindern immer geben. Aber dann, wie viele meiner Songs, wandert er einfach dorthin, wo er Lust hat, und er wird ein bisschen mehr zu einem Liebeslied. (…) Zu dieser Zeit war ‹Waterfalls› mein Lieblingsstück», so Paul. Auf der B-Seite war «Check My Machine».

mccartney recording mccartney2 scottland reissue


«Waterfalls» konnte die Erwartungen in den Hitparaden nicht erfüllen, mit dem 106 Platz in den Billboard Charts war es die erste Single McCartneys, welche die Hot 100 verpasste.

«Temporary Secretary» ist ein in Briefform gehaltener Song, worin der Ich-Erzähler eine Teilzeit-Sekretärin anfordert. Hier experimentierte Paul ebenfalls mit der Vari-Speed-Maschine. «Der Sound, der ein wenig wie eine Weltraumschreibmaschine klingt, ist der einer Sequenzermaschine. Ich benutzte sie, um mir das Tempo vorgeben zu lassen». Auf der B-Seite ist der 10-minütige Song «Secret Friend».

«Temporary Secretary» wurde als Maxisingle veröffentlicht, jedoch in einer limitierten Auflage von 25 000 Stück, weshalb die Single nirgendwo die Charts erreichte. Für das 2022 veröffentlichte Boxset «The 7" Singles» wurde eine normale Single nachempfunden, «Secret Friend» wurde hierfür auf eine 7" Version gekürzt.

die Videos 1980 und 2011
MTV ging erst 1982 auf Sendung, Videos waren aber Anfang der 80er-Jahre im Kommen. Im Gegensatz zu John Lennon drehte Paul McCartney immer Werbevideos zu seinen Songs. So auch zu «Coming Up», in welchem er das Musikbusiness und sich selbst auf die Schippe nimmt und mit Ehefrau Linda sämtliche Rollen von Beatle Paul über den Bluesrocker, den Alpöhi, den Discofritzen bis hin zum Solo-Paul anno 1980, spielte.

Das Video wurde von Keith MacMillan während 25 Stunden verteilt auf zwei Tage gedreht. Paul parodierte darin sich selbst 1964 und 1980, Buddy Holly, Hank Marvin, Ginger Baker (The Cream), Frank Zappa, Andy MacKay und Ronnie Wood. In Anspielung auf John Lennons Plastic Ono Band nannte Paul die Band mit seinen vielen filmischen Geschwistern The Plastic Macs, was ein Wortspiel ist, ein Mac ist ein Regenmantel. Mittels Computertechnik wurden die einzelnen Figuren in das Video eingefügt und die Beleuchtung entsprechend angepasst. Insgesamt wirkten 32 Personen an der Entstehung des Videos mit.

Das Video zu «Waterfalls» wurde ebenso von Keith MacMilian gedreht und war ebenso herausfordernd. Es symbolisiert den Songwritingprozess in vier Stufen. Es beginnt mit Paul, der in einem Landhaus Klavier spielt. Das Landhaus war Kulisse. In der zweiten Szene ist Paul in einer arktischen Winterlandschaft. Hierfür wurde mit Olaf ein lebendiger Eisbär aus einem Zirkus gemietet, so heisst es in der zweiten Strophe «Don’t go chasing polar bears in the great unknown, some big friendliy polar bear might get you home». In der dritten Szene spaziert Paul eine Strasse vor einem Schloss hinab. Paul tritt auf ein Karussell und dreht darauf eine oder zwei Runden, ehe es in der vierten Szene zurück ins Landhaus geht, wo Paul den Song fertig schreibt.

Lindas Foto von Paul in Jamaica an einem Infinty Pool wurde für das Innencover des Albums verwendet, das in einem Klappcover erschien. Heute gehört dieser Pool Ralph Lauren.


Als Übergang der Szenen dienten jeweils verschiedene Wasserfälle wie eine Brunnenfontäne. Für den Übergang von der Arktis in den Schlosspark musste mit einer Feuerwehrpumpe Wasser von einem See über einen Hügel zum Drehort rund 500 Meter entfernt gepumpt werden. Der Eisbär wurde von einem bewaffneten Wärter überwacht.

Zur Wiederveröffentlichung von «McCartney 2» im Rahmen der Archive Collection 2011 erschien mit «Blue Sway» ein bis dato unveröffentlichter Song als Videosingle auf YouTube. Regisseur war Jack McCoy, ein amerikanischer Surf-Filmemacher, der eine simple, aber innovative Unterwasserfilmtechnik entwickelt hatte, in dem er eine Kamera an einem Unterwasser Jetski anbrachte. Damit konnte er einer Welle in einer Nähe, die so nicht möglich war, nachfolgen. Er verwendete Bildmaterial vom Teahupoo Riff in Thaiti. «Als ich Jack McCoys Unterwasser-Surfaufnahmen zum Soundtrack von ‹Blue Sway› sah, war ich hin und weg», erzählt Paul. Das Video ist ein hypnotisch-lyrisches Unterwasserballet.

die Versionen
«McCartney 2» erschien am 16. Mai 1980 (in den USA am 22. Mai) als LP und MC sowie als 8 Spur Band. Die Songtexte waren auf den Innen-Hüllen abgedruckt. Die erste CD-Veröffentlichung erfolgte 1987, die CD erhielt die Bonus Tracks «Check My Machine» und «Secret Friend». 1993 wurde das Album digital remastered in der «McCartney-Collection» herausgegeben und hatte noch «Goodnight Tonight» als dritten Bonustrack. Diese Mixe waren auch die Grundlage für die iTunes-Veröffentlichung 2007.

Die Videoclips von «Coming Up» und «Waterfalls» erschienen 2007 auf der DVD «The McCartney Years,» ehe sie 2011 in der «Archive Collection» nochmals erschienen. Heute sind sie auf Pauls YouTube Channel abrufbar.

mccartney mccartney 2 1980 alternative cover mask
Foto von einer verworfenen Cover-Variante.


Eher überraschend wurde «McCartney 2» 2011 zusammen mit «McCartney» als drittes Album in der «Archive Collection» wiederveröffentlicht. Neben «Blue Sway» enthielt die Bonus Disc die weiteren Songs von den Aufnahmen wie «Mr H Atom», «All Your Horseriders» oder «Boogey Wobble» sowie die Single B-Seiten und «Wonderful Christmastime». Die Deluxeversion war einem 128-seitigen Buch begleitet, das den Entstehungsprozess und die Veröffentlichung beschreibt. Auf der dritten CD sind die ungekürzten Versionen der Songs. verefügbarDie DVD enthält die Videoclips und das Interview «Meet Paul McCartney». Zusätzlich konnte man während einem Jahr die Aufnahmen in HiRes herunterladen. Heute ist das Album in allen gängigen Streaming-Portalen verfügbar.

«All You Horseriders» wurde im Soundtrack des Filmes «Blankits First Show» verwendet. B.B. King coverte für das 2014 erschienene Tributalbum «The Art Of McCartney» «On The Way».

«Coming Up» gehört seit 1989 zum Live-Repertoire von Paul McCartney und ist auf verschiedenen Livealben von «Tripping The Live Fantastic» zu «Amobea Gig» enthalten. «Temporary Secretary» hatte 2015 seine Live-Premiere.

DJ Freelance Hellraiser, der 2004 vor den Konzerten der «04 Summer Tour», die auch in Zürich halt machte, in der Pre-Concert Show auflegte, verwendete «Coming Up», «Temporary Secretary» und «Darkroom» als Remixe für den Soundtrack. Paul veröffentlichte diese Aufnahmen 2005 auf dem Album «Twin Freaks».

Während den Aufnahmen spielte Paul 20 Songs ein. Er plante ein Doppelalbum zu veröffentlichen, liess sich aber überzeugen, nur eine einzele Platte zu veröffentlichen. Die Songreihenfolge des Doppelalbums hätte gemäss Beatlesbible wie folgt ausgesehen:

Seite 1
Front Parlour
Frozen Jap
All You Horse Riders
Blue Swy

Seite2
Temporary Secretary
On The Way
Mr H Atom
Summer's Day Song
You Know I'll Get You Babe
Bogey Wobble

Seite 3
Darkroom
One Of These Days
Secret Friend
Bogey Music

Seite 4
Check My Machine
Waterfalls
Nobody Knows
Coming Up

Das Coverfoto stammte aus einer Fotosession der Wings aus dem Smmer 1979, das Foto stammte von Linda McCartney. Roger Huggett, den Paul seit den Beatlestagen kannte, gestaltete das Cover. Das Coverfoto von Coming Up stammt ebenfalls von Linda. Die Illustration von Waterfalls stammt vom französichen Maler und Illustratoren Christian Broutin, auf der Rückseite ist der Songtext und ein Foto von Paul von Linda. Die Zeichnung zu Temporary Secretary von Jeff Cummins, auf der Rückseite wird ein Standbild aus dem Video von Waterfalls verwendet.

Promofoto für die «Archive Collection»-Wiederveröffentlichung 2011.

Rezeption und Statistik
Den Kritikern gefiel «McCartney 2» nicht, Robert Christgau gab ein C, Rolling Stone gab die Note nicht postiv, ebenso die LA Times und Record World nannte es das wohl schlechteste Album eines Ex-Beatle. Auch der Autor dieser Zeilen mochte das Album lange Zeit nicht. Doch mit der Zeit änderten sich die Bewertungen: 2011 nahm der New Musical Express «McCartney 2» in die Liste der 101 Alben auf, die man vor dem Tod gehört haben muss. 2018 klassierte es Pitchfork auf Platz 186 der besten Alben der 1980er-Jahre und gab 7.2 von 10 Punkten. Steven Thomas Erlewine findet auf allmusic.com das Album ein gescheitertes Experiment, gibt aber 4 von 5 Sternen.

Mit der Synthesizermusik war Paul vor dem Elektropop-Trend der 80er- und dem Technoboom in den 90er-Jahren. Man erkannte damals das Potenzial nicht, was sich auch bei den Verkäufen bemerkbar machte. So wurde «McCartney 2» in Australien mit Platin und in Grossbritannien und den USA mit Gold ausgezeichnet. «Coming Up» war für einen Grammy in der Sparte Best Male Rock Vocal Performance nominiert.

In Grossbritannien erreichte das Album den 1. Rang, in Frankreich Rang 2 und in den US-Billboard Hot 200-Charts Rang 3. In Österreich resultierte der 4. Platz, auf Rang 5 kletterte es in Kanada, Schweden, Norwegen und Neuseeland. Australien meldete Platz 6, Spanien Platz 7, Japan Rang 8. In Deutschland kam es mit Platz 19 und in Holland mit Platz 20 knapp in die Top 20. Die Schweiz führte noch keine Albumcharts.

Die Wiederveröffentlichung in der «Archive Collection» klassierte sich in den US-Billboard Charts auf Rang 10 (Top Pop Catalog Albums) und 82 in den Hot 200 Charts. Japan notierte Rang 32 und Spanien Platz 85, in England resulltierte Rang 108 und in Frankreich Platz 185.

«Coming Up» wurde in den USA mit Gold ausgezeichnet und steht in der ewigen Bestenliste der Billboard Hot 100, Periode 1958-2018, auf Position 241. Die Liveversion wurde in den USA öfter in den Radios gespielt, 12 Wochen, davon 3 Wochen an der Chartspitze, führte Billboard zunächst die Studioversion und A Seite in den Charts, ehe sie auf die Liveversion wechselte.

Die Chartspitze erreichte «Coming Up» in Kanada und den Billboard Hot 100 Charts. In Grossbritannien, Norwegen, Neuseeland und Australien sowie den US-Cashbox Charts gab es Rang 2 und in Irland Rang 3. In der BRD gab es den 11. Platz, in Österreich den 15 und in den Niederlanden Platz 20. Rang 48 wurde in den Billboard Adult Contemporary Charts notiert.

«Waterfalls» erreichte in Irland und Luxemburg den 4. Platz, in Grossbritannien und Norwegen Rang 9, in Neuseeland Rang 15 und in Australien Platz 31, in der BRD resultierte Rang 55. «Temporary Secretary» erreichte in Luxemburg (Radio Luxembourg) Rang 13. In der Schweiz konnte sich keine der Singles in der Hitparade platzieren.

Das Video zu «Blue Sway» wurde 2011 am NYC BE FILM Short Festival als bestes Musikvideo ausgezeichnet.


Mit dem Album korrelierte Veröffentlichungen:

Wonderful Christmastime; Single, 1979
Coming Up (live at Glasgow); US-Single, 1980
The Concert For The People Of Kampuchea, Album und Film, 1981
Blue Sway, Video Single, 2011


mccartney mccartney2 kirschbaumbluete cherrys 1980
Paul McCartney 1980 unter einem blühenden Kirschbaum.
Foto: Linda McCartney




Tracklist Originalalbum:
Coming Up
Temporary Secretary
On The Way
Waterfalls
Nobody Knows

Front Parlour
Summer's Day Song
Frozen Jap
Bogey Music
Darkroom
One Of These Days

1987: CD-Release
Tracklist
Originalalbum

Bonus Tracks:
Check My Machine
Secret Friend

1993: McCartney Collection Remaster

Tracklist
Originalalbum

Bonus Tracks:
Check My Machine
Secret Friend
Goodnight Tonight


2011: Archive Collection Remaster

Tracklist
Originalalbum

Special Edition
CD 1/LP 1:

Originalalbum

Bonus Audio
CD 2/LP 2:
Blue Sway (Richard Niles Orchestration)
Coming Up (live at Glasgow)
Check My Machie (Edit)
Bogey Wobble
Secret Friend
Mr H Atom/You Know I'll Get You Baby
Wonderful Christmastime (Edit)
All You Horse Riders/Blue Sway

Deluxe Edition

CD 1:

Originalalbum

CD2:
Bonus Audio

CD 3 Tracklist:
Coming Up (Full Length Version)
Front Parlour (Full Length Version)
Frozen Jap (Full Length Version)
Dark Room (Full Length Version)
Check My Machine (Full Length Version)
Summer's Day Song (Original Without Vocals)
Waterfalls (DJ Edit)

DVD:
Meet Paul McCartney
Coming Up Video
Waterfalls Video
Wonderful Christmastime Video)
Coming Up (Live At The Concert For The People Of Kampuchea) Video
Coming Up Reheasal Video
Makeing The Coming Up Video
Blue Sway Video



Singles 1980:
Coming Up

Tracklist
Coming Up


Lunch Box/Odd Sox Coming Up (live at Glasgow)


Waterfalls
Tracklist
Waterfalls


Check My Machine


Temporary Secretary
Tracklist
Temporary Secretary


Secret Friend


Video-Single 2011
Blue Sway

Tracklist
Blue Sway


Promotion
1980

Inserat für «Waterfalls» am 21. Juni 1980 im Record Mirror (oben) und für «Temporary Secretary» am 20. September 1980. Im Kleingedruckten heisst es, dass man, wenn man alle Fragen mit Ja beantwortet hat, sicher bemerkt hat, dass sich Paul McCartney mit einer neuen Single bewirbt.

promo ad temporary secretary record mirror 1980 mccartney

 

Promoposter aus den USA.


Links:
Paul McCartney


 

 

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