Feuerwehreinsatz
6. März 2008


Während Vater und ich brav in die Spur Richtung Autobahn, bzw. Regensdorf und Höngg einspuren und darauf warten, dass die Ampel auf grün springt, um uns unserem wohlverdienten Feierabend entgegen fahren zu lassen, nähert sich von hinten das immer lauter werdende Martinshorn. Auf dem separaten Tramtrassee überholt der grosse Löschwagen der Feuerwehr die zweipurige Kolonne. Doch er setzt seine Fahrt nicht weiter in Richtung Lindenplatz fort, sondern biegt in Richtung Europabrücke ab. Wie verschreckte Mäuse versuchen sich die in vier Spuren vor den Rotlichtern an der Luggwegstrasse wartenden Autos klein zu machen, als sich der giftig gelbmetalisé lackierte LKW seinen Weg zum Zielort bahnt. Die grosse Wirkung des kleinen Tatüs in der städtischen Rush Hour ist immer spassig zu beobachten, vor allem an einem Verkehrsknotenpunkt wie die Kreuzung Badener-/Luggwegstrasse. Auf unserem Tribünenplatz in der Badenerstrasse werden wir von den hektischen Rangiermanövern verschont, verpassen dafür wie die anderen drei bis vier Duzend Autos die nächste Grünphase.

Aus den Augen, aber nicht aus dem Sinn: Von der Europabrücke aus hat man einen guten Ausblick auf die Quartiere Grünau, Höngg und Wipkingen, doch nirgendwo ist Rauch zu erkennen. Dafür staut sich der Verkehr, wie wenn es auf der Brücke oder gleich danach auf der Höngger Seite einen Verkehrsunfall gegeben hätte. Im Schritttempo quälen wir uns über die fast 600 Meter lange Brücke, auf der linken Spur diejenigen, die Richtung Höngg unterwegs sind, auf der rechten all die Aargauer, die Stalldrang verspüren und so schnell wie möglich auf die Autobahn wollen. Feuer bzw. Rauch ist keines zu entdecken, dafür sieht man von irgendwo zwischen der Höhe des Buckes über die Bahngeleise beim Bahnhof Altstetten und der Rampe zur Bändlistrasse die Feuerwehr 400 Meter weiter vorne bei der Bushaltestelle Tüffenwies in der Wipkinger Spur stehen. Das verheisst nichts Gutes, wenn selbst die Feuerwehr im Stau stecken bleibt. –

Der Verkehr ruckelt über die Brücke, die Aargauer verschwinden die Rampe hinab Richtung Autobahn, die rechte Spur entwickelt sich stauuntypisch zur schnelleren; bis fünfzig Meter vor der Haltestelle Tüffenwies überhaupt nichts mehr geht, weder links noch rechts. Und was auch auffällt: Die ganze Zeit über blieb die Feuerwehr an Ort und Stelle stehen. Feuer ist keines zu sehen, aber auch keine Ambulanz oder Polizeiautos, die auf einen Unfall würden schliessen lassen. Dafür müssen nun alle von der rechten Spur in die linke einspuren, was zu den zusätzlich zu den bei der Bushaltestele von links aus der Rampe der Meierwiesenstrasse sich einspurenden Autos den Rückstau verursacht. Diese Kreuzung mitten auf der Brücke und die Bushaltestelle sind der Grund für die Ampel davor, die vom Stau unbeeindruckt ihren Dienst nach Vorschrift verrichtet und in ihrem regelmässigen Rhytmus die von Altstetten oder der Autobahn kommenden Autos an der Feuerwehr vorbei fahren lässt.

Die von der Ampel erzwungene Pause wird durch die imposante Aussicht auf den Rebberg, in dem die Europabrücke zu verschwinden scheint und auf die darüber trohnende reformierte Kirche Höngg gelenkt, diesem seit dem frühen Mittelalter bestehenden Bau mit seinen weissen Mauern und dem roten Dach des Kirchturms, in seiner ganzen Art an die errigierte Brust einer liegenden Frau erinnernd und so das Feminime der Kirche und des christlichen Glaubens symbolisierend. In diesem Moment jedoch dachte wohl keiner der Autofahrer beim Anblick des Rebberges an ein Glas Rotwein. Und so muss das vor meinem geistigen Auge entstehende Bild unvollendet bleiben, denn nicht einmal den Schlauch, das männliche Pendant zur Kirche oberhalb des Rebhügels, hat die Feuerwehr ausgerollt. –

Stattdessen können aufmerksame Beobachter eine Hand voll ungeduldiger Leute sehen, die verzweifelte Blicke auf die im Stau stehenden Busse werfen. Neben ihnen ist ein Feuerwehrmann in voller gelber Gummimontur mit einem Passanten im Gespräch. Er dreht seinen beiden arbeitenden Kollegen den Rücken zu. Ein Feuer ist noch immer nicht zu sehen, geschweige denn etwas, was einen Feuerwehreinsatz mit dazu gehörendem Verkehrschaos begründen würde. Der linke Feuerwehrmann hält einen Eimer in der Hand und schüttet dessen Inhalt in den Papierkorb der Bushaltestelle, den ihm sein Kollege – beide tragen einen gelben Gummianzug und Helm – entgegen hält. Als das Wasser in den Papierkorb läuft, löste dies etwas Rauch aus. Den beiden beschätigten Feuerwehrmännern drehen zwei Schuljungen den Rücken zu, die sich ihrerseits vom Feuerwehrauto abwenden und sich kaum mehr einkriegen können vor Lachen.

Ist es ihre spitzbübische Freude über einen gelungenen Streich, dass die Feuerwehr ausrücken musste und nach einer Viertelstunde es noch immer aus dem Papierkorb raucht? Und dies zwanzig Meter vom Gebäude des städtischen Wasserwerks und zehn Meter von der Limmat entfernt, dass sich die beiden Bengel einen Schranz lachen? Sais pas, moi! Während sich die Jungs krumm lachen, lerne ich an diesem Abend, dass zu jedem Löschgruppenfahrzeug nicht nur ein abrollbarer Schlauch und eine Metallleiter gehört, sondern auch ein ganz gewöhnlicher Wasserhahn. Aus diesem nämlich füllt der vierte Feuerwehrmann – selbstverständlich für sein Publikum auch im gelbem Gummikostüm den zweiten Eimer mit Wasser. Im Gegensatz zu den andren drei Feuerwehrmännern hält er die Situation für nicht so gefährlich und hat auf seinen Schutzhelm verzichtet.



 

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