mehr Mobiltelefone als Einwohner
9. Juli 2008


Der Zeitpunkt der Meldung überrascht den Medienprofi: Einen Tag vor offiziellen Lancierung des iPhones von Apple in der Schweiz, vermelden die Statistiker, dass es ab heute mehr Mobiltelefonabonnemente als Einwohner gäbe. Dies dürften also rund 7.5 Millionen Mobiltelefone sein. Wäre die Veröffentlichung der Meldung einen Tag später nicht idealer gewesen? Dann wäre nämlich in sämtlicher Berichterstattung zum mitternächtlichen Verkaufsstart des iPhones auch die statistische Meldung mitberücksichtigt worden, anstelle eines einzelnen Beitrages in der Nachrichtensendung «10 vor 10».

Bemerkenswerter als der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Meldung ist alleweil die Tatsache, dass es nun mehr Telefone denn Menschen in der Schweiz gibt. Tendenz nach wie vor steigend. Die Autos haben das in ihrer gut 130-jährigen Geschichte noch nicht geschafft. Deshalb sei die rethorische Frage erlaubt: Wer braucht schon zwei der ständig zum falschen Zeitpunkt klingelnden elektronsichen Terroristen? Ein Handy für den Beruf und eines privat? Und dies nur, weil der Betriebsbuchhalter ein mühsamer Kerl ist oder jeweils am Morgen und Abend die Sim-Karte zu wechseln auf die Dauer mühsam werden kann, wenn man die ganze Zeit über erreichbar sein muss? Wer muss denn überhaupt ständig erreichbar sein?

Nicht dass der Meister Baer technologiefeindlich wäre, ein paar gute Entwicklungen wie das E-Mail oder Internet gab es in den letzten Jahren tatsächlich. Das Handy leistete auch schon gute Dienste. Aber wenn man in naher Zukunft mit seinem Mobiltelefon noch Eisenbahnbillete kaufen, seine Parkgebühren bezahlen oder mittels einem im Blumentopf steckendem Sensor mit der Zimmerpflanze telefonieren kann, um herauszufinden, ob diese wieder einmal gegossen werden sollte, wie der Beitrag der Nachrichtensendung «10 vor 10» über die mobiltelefonische Zukunt glauben machen möchte, dann erscheint einem die Zukunft tatsächlich in einem anderen Licht. –

Bloss, wo bleibt da der gesunde Menschenverstand, den man so gerne den anderen abspricht? Wer jetzt, in der guten alten noch nicht ganz so hochtechnisierten Welt nicht realisiert, dass sein Gummibaum wieder einmal Wasser braucht, der wird auch nicht ans Giessen desselbigen denken, wenn er seiner Pflanze anrufen und sich nach ihrem Wasserstand im Kübel erkundigen kann! Wobei es sicher findige Chiphersteller geben wird, die einen Chip herstellen, der den Pflanzentypus und die Bodenfeuchtigkeit der Drecks, in dem das Hightech-Meisterwerk steckt, feststellen kann, und dann mittels W-Lan Modem, das bis dann sicher in jedem Haushalt fix installiert sein wird, automatisch eine SMS mit dem Text: «Bitte Gummibaum giessen, Dünger erst in 3 Tagen nötig» senden wird. Einzige Voraussetzung für das Empfangen desselben wird noch die bezahlte Rechnung und ein aufgeladenes Telefon sein. – Bloss schade, dass Aldous Huxley und George Orwell schon gestorben sind, denn die schöne neue technisierte Welt, ein «brave new 1984» haben sich die beiden Utopisten, die so manche mittlerweile realisierte technische Menschheitsplage wie das Klonen oder die totale digitale Überwachung, dennoch nicht ausgemalt. Oder sich ausmalen wollen. –




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