Naraus
15. September 2011


Mittagspicknick in Sichtweite von Naraus, auf einem Felsen beim Wegweiser No 201 sitzend, geniesse die Mittagsruhe, die Sonne und mein Lachsbrötchen. Ein Helikopter nähert sich in grosser Höhe. Ich erinnere mich an Helikopterlärm, als ich am Morgen vom Caumasee zurück nach Flims Waldhaus unterwegs war, auf dem Sessellift zwischen Foppa und Naraus sah ich ein weissen, der zuvor zwischen Startgels und Grauberg gependelt hatte, landen. Die Flimser sanieren die Wasserleitung aus touristischen und ökologischen Gründen. Doch über mir fliegt die Rettungsflugwacht. Bergrettung.–

Ich schaue auf die Uhr: 12.55 Uhr, die REGA ist im Anflug auf die Seilbahnstation Cassonsgrat. Ist ein Gleitschirmflieger beim Start abgestürzt? Der rotweisse Helikopter verlangsamt und fliegt dem Grat entlang. Wie eine Wespe in Lauerstellung, denke ich und verfolge, wie der Pilot entlang der Abrisskante des Flimser Bergsturz’ entlangfliegt. 12.58 Uhr, oberhalb der Camona da Segnes kehrt der Pilot um. Suchend fliegt der Helikopter bis zur im Wind wehenden Schweizer Fahne am Fil da Cassons, die ich achthundert Meter oberhalb und vier Kilometer von mir entfernt mit blossem Auge als weissen Strich gegen den blauen Himmel erkenne. Ich frage mich, ob es auf dem Cassonsgrat einen Helikopterlandeplatz gibt und wundere mich über die Kurzlebigkeit meines Gedächtnis, vor Jahresfrist bin ich oben gewesen, ich erinnere mich aber bloss mit Gewissheit an die Steinmännchen, dass ich auf dem iPhone das Wahlresultat von Simonetta Sommaruga als Bundesrätin abgerufen hatte und an die ins scheinbare Nichts springenden Gleitschirmflieger.

13.05 Uhr, sie scheinen das Unfallopfer geortet zu haben. Etwas neben der Schweizerfahne verharrt der Helikopter über dem Flimserstein, ehe der Pilot zur Landung ansetzt. Während der Pilot über der Unfallstelle kreuzt, schlägt es den Rotorenlärm den Felswänden und den Alpen von Naraus und Cassons entlang talabwärts, es ist, als wäre ich am Flughafen oder mittendrin im Drama. Einzig ein Gleitschirmflieger dreht still seine Runden und beobachtet die Szenerie von oben. Nach der Landung des Helikopters herrscht Ruhe. Für lange Zeit. Fünf Minuten ziehen ins Feld, es werden zehn. Rotorenlärm ertönt, der Bauhelikopter zwischen der Segneshütte und Startgels hebt ab und transportiert im zwei Minutentakt Wasser von der Segeneshütte hinab. 13.15 Uhr, ich breche wieder auf. 13.20 Uhr, einzig der Lärm des Bauhelikopters beschallt die Flimser Landschaft. Was ist mit dem Unfallopfer? Ein paar Minuten später blicke ich hoch, glaube leise einen zweiten Hubschrauber zu hören. Tatsächlich, über dem Cassonsgrat schwebt der Rega-Heli, etwas unterhalb von ihm mache ich einen dunklen Punkt aus, der an einen Rettungsschlitten erinnert. Doch eine Wolke verdeckt mir nun die Sicht. Der Gleitschirmflieger von vorhin kreist in der Höhe und verfolgt weiterhin die Bergung von oben. Schaue auf die Uhr: 12.30 Uhr. Die Wolke verzieht sich, der Helikopter kreist über einen bestimmten Punkt. Ich höre die Rotoren kaum mehr. Fünf Minuten für die Lokalisierung der Unfallstelle, eine halbe Stunde für die Bergung, was muss der Verunfallte in dieser Zeit durchgemacht haben? –

Die REGA entschwebt über das Glarnerland in Richtung Universitätspital Zürich, doch um 13.45 Uhr, bin schon fast in der Foppa unten angekommen, höre ich einen Helikopter in grosser Höhe in Richtung Flims fliegen. Also doch ein Spital in Ilanz oder Chur, frage ich mich und nehme einen dunklen Helikopter wahr, was mich angesichts der Gegenlichtverhältnisse nicht weiter überrascht. Anderentags lese ich in der «Südostschweiz», dass in Flims der Kongress der Schweizer Verleger stattgefunden hat, zu dem Bundespräsidentin und Medienministerin Doris Leuthard für ihre Rede am Nachmittag per Helikopter eingeflogen worden war.






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:
Caumasee – 15. September
Woody Allen – 20. August
Hotel Bellvue, Wiesen – 14. August

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Spalegna – 25. September
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