Vincents Blume


Vincents Blume steht in der Vase,
sie leuchtet vergnügt auf dem Stubentisch.
Ihr Strahlen erinnert mich an dein Lachen.
Die Kraft der Sonne weitergebend, erhellt sie die dunkeln Stunden.
Herausfordernd schaut sie mich an,
so als ob sie mir etwas sagen wolle.
Ich freue mich über ihr pausbäckiges Lachen
und verstehe, weshalb es Vincent malen musste.

Wie ein Halbgott sieht Vincents Blume aus:
ihr fleischiger, haariger Stängel schützt das zarte Innere,
worin zähflüssig und klebrig ihr Lebenssaft fliesst.
In warmes Wasser gestellt, soll sie länger leben.
Ihre Kerne nähren die Vögel,
ihr Öl verfeinert die Speisen.
In der Vase strahlend posiert sie wie ein Supermodel.
Kein Wunder, musste Vincent ihr Abbild nehmen.

Pablo sagt, dass man die moderne Kunst töten muss.
Das heisse auch, dass man sich selber töten müsse,
wenn man weiterhin etwas erreichen wolle*).
Sterben macht Angst, sterben tut weh.
Ausser man ist bereits tot.
Mein Herzblut bildet eine Lache auf dem Boden.
Stecke meiner Wurzeln beraubt in einer Vase
und leuchte wie Vincents Blume meinem Ende entgegen.

Manchmal ist einem gar Sterben zu viel.
In meiner Nachbarschaft, gleich um die Ecke,
stehen sie in Reih und Glied auf ihrem Feld, Vincent hätte seine Freude daran gehabt.
Davor steht in ihrer ganzen Pracht Vincents Blume und schaut sie an.
Einsam als letzte ihrer Art noch nicht geschnitten.
Für mich sieht es wie ein Dirigent vor einem Orchester aus,
der das Rauschen des Windes im Sonnenblumenfeld dirigiert.
Verständnisvoll Vincent zublinzelnd, denke ich an…



Pablo Picasso.

 

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*) Zitat von Pablo Picasso

Vincents Blume – 2008  

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