Musicus - Archiv 1996
Nach dem verschenktem Herz
Mai 1996
Züri West kämpfen mit allen Mitteln gegen den Erfolg. Ob es ihnen mit Hoover Jam gelingt, wird sich weisen.
Bewertung: * * * * 1/2

Mit dem Erfolg hatte niemand, die Band am allerwenigsten, gerechnet. Züriwest verkaufte sich vor zwei Jahren über 150'000 Mal. Soviel Mal verkauften sich nur noch Stephan Eichers Engelberg und die Scheiben der verblühten Krokus. Warum bloss ist den Schweizern der Erfolg immer suspekt, denkt man, wenn man sich Hoover Jam zum ersten Mal anhört.

Der Einfluss des neuen Drummers Gere Stäuble, der von den Central Services vor zwei Jahren zur Band gestossen war, ist noch deutlicher hörbar als auf dem gelben Album. Aufgenommen wurde Hoover Jam denn nicht im altbekannten Studio in Maur am zürcherischen Greifensee, sondern an der amerikanischen Atlantikküste. Und danach klingt das Album auch. Die Musik klingt sehr amerikanisch, Post-Grunge ist man versucht zu sagen.

Sofa ist ein reines Bluesstück, das dennoch verdächtig an I Schänke Dr Mis Härz erinnert und wird wohl genau deswegen kein Hit werden. Obwohl Laueners Lyrics jedem Stadtführer Konkurrenz machen und man nun weiss, wo man in Bern in den Ausgang gehen muss. Auch die aus Bern übergeschwappte Mode mit dem Kitschinger Sack, einer Plastiktüte zum umhängen mit aufgedruckten Irokesenköpfen, wird beschrieben.

Wie schon auf Züriwest geht es auch diesmal oft um Sex. In Clii singt Lauener ganz offenen: «Chum mir tüe no chli witervogle». In Sofa schlägt er vor, sich noch etwas näher auf dem Sofa in der Stube kennenzulernen. Unter Haut geht einem aber Ritigampfi, ein Song über einen Pädophilen. Kuno Lauener gelingt es, wie es in der Erotik üblich ist, mit dem Verhüllten oder hier dem Unausgesprochenen die gewünschte Wirkung zu erzielen. Lauerner erklärte unschuldig in einem Interview, dass ihn bloss der Gegensatz der Worte Liebe und Erwischen fasziniert hätte.

Auf Hoover Jam sind Züri West mehrsprachig zu hören. Un Jour Comme Un Autre ist eine gelungene Coverversion des Klassikers, den einst B.B. ist Mikro gehaucht hatte. Und mit Sheila singen sie ein Stück von Stiff Johnson, dem Co-Produzenten des Albums. Dennoch ist ausser Idiot kein Song mit Hitpotzential erkennbar. Bei diesem Album hat, so scheint es, zum ersten Mal die Musik im Mittelpunkt gestanden. Und so erzählt Allei Uf E Mond stimmungsvoll vom Leben auf der Tour und der Depression danach

Der Tages Anzeiger meinte, dass Lauener bei seinen Lyrics geschludert hatte. Geschludert ist wohl zu hart formuliert, dennoch lässt einem das Album ratlos zurück. Was interessiert einem, ob der Hanspeter nun für ein Lokalblatt geschrieben hat und riesengrosse Ohren (Grossi Ohre) verfügt. In Sense mimt Lauener den Depro, der die verschiednenen Suizidvarianten gegeneinader abklärt. Und in Cowboy rät er dem frühaufstehenden Bauern, alle Kühe zu Verkaufen und nur noch Munis zu halten, dann könne er länger liegen bleiben.

Dennoch wären Züri West ohne Kuno Lauener und ohne dessen Songtexte nie das, was sie wären. Was sein ganz persönliches Geheimnis ist, verrät er in Nüt Aus Nacht: «Zile um Zile, geng vo obe über ds Blatt abe, immer nöii Wörter, aber geng die gliiche Buechstabe». Wie wahr, das ist wirklich das Geheimnis hinter jedem Text. Und deshalb wiederholen wir es noch einmal: Zeile um Zeile, immer von oben übers Blatt hinab, immer neue Wörter, aber immer die selben Buchstaben.


Kuno Lauener, keineswegs klein, dafür aber relaxed.

Tracklisting

Hoover
Chlii
Mittufinger
Sofa
Ritigampfi
Un Jour Comme Un Autre
Idiot
Rimini
Allei Uf E Mond
Cowboy
Sense
Nüt Aus Nacht
Grossi Ohre
Sheila

 

ZüriWest
Hoover Jam
Sound Service 110596-2

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

Links:
http://www.zueriwest.ch

 

 

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Go (Züri) West (Züriwest, 1994)
Super 8 (Super 8, 1999)
Kuno zum Glück (Radio zum Glück, 2001)

... und ausserdem:
Züri West live im Kaufleuten Zürich, 1999, Fotostrecke
Kleine Männer ganz gross (XL, 2002)