Von Pilgern und Schreibblockaden
April 1998
Eric Clapton sagt selbst über «Pilgrim», dass sich das Album anhöre, als ob er trotz des Blues fröhlich wäre.
Bewertung * * * * 1/2

Sein «Unplugged»-Album von 1992 gilt als eines der wichtigsten Alben der 90er-Jahre. Der Nachfolger «From The Cradle» 1994 war ein klassisches Bluesalbum. Kein Wunder, dass die Erwartungen an das erste reine Eric Clapton Album nach neun Jahren (letztmals 1989 mit «Journeyman») hoch sind. Fast so hoch, als dass Clapton selbst den Druck spürte und zeitweise unter Schreibblockaden litt und Angst hatte, ins Studio zu gehen. Doch das Warten hat sich gelohnt. Slowhand Clapton verbindet den Blues meisterhaft mit neueren Musikelementen.

Weder Drum n Bass, Calypso oder Trip Hop sind Eric Clapton zu fremd, um nicht ausprobiert und mit dem Klang seiner Fender Stratocaster vermischt zu werden. Mehr als der Bluespop, so müsste man wohl die Sparte Musik bezeichnen, in welcher Clapton momentan arbeitet, fällt einem auf, dass seine Stimme in den Vordergrund gemischt ist. Eric Clapton erzählt im Interview mit dem ME Sounds, dass er sich mit seinem Organ versöhnt habe und er es nicht mehr hinter den Gitarren verstecken müsse. Zu Cream-Zeiten, also während den 60er-Jahren, hatte Clapton nicht gesungen. Erst auf seinem ersten Solo Album, welches schlicht «Eric Clapton» heisst, sang er auch. Doch schon bei der Super Gruppe Derek & The Dominos ist seine Stimme nicht mehr wegzudenken.

Am schnellsten wird man sich mit «Circus», einem rein akustischen Stück, anfreunden, worin die Geschichte eines traurigen Clowns erzählt wird und den letzten Abend im Lebens seines sechsjährigen Sohn Conors beschreibt. Clapton war mit ihm im Zirkus gewesen. Die Gitarren krachen richtig in «Sick And Tired» und «She's Gone». St. Louis Jimmies «Going Down Slow» und «One Chance» sind gelungene Verschmelzungen von Trip Hop Elementen mit dem Blues, bei denen jeweils auch Slowhands Gitarrenspiel mehr als nur den Solopart bekommt. Besonders in «One Chance» hat die Gitarre, obwohl sie nur begleitet, die tragende Rolle. Bei «Inside Of Me» liest seine 13 jährige Tochter Ruth aus Aldous Huxleys «Brave New World» vor. Und das Auffallendste am Titelstück ist das durch Loops wiederholte Gitarrenriff, in welchem sich Eric Clapton als Pilger der Liebe bezeichnet.

Eric Clapton erzählte in einem Interview, dass er momentan in seinem Leben aufräume. Und diese Stimmung komme in den Songs zum Ausdruck. Obwohl die meisten in Moll sind, ziehen sie einem nicht wirklich hinunter. Der einzige, welcher das Potenzial hat, die Melancholie oberhand gewinnen zu lassen, ist «River Of Tears», ein waschechter, langsamer Blues. Mit «From The Cradle» wurden die Bluespuristen beglückt. «Pilgrim» braucht die nötige Portion Offenheit und Progressivität, um den Wechsel zu dulden. Doch es lohnt sich, und Eric Clapton, der weiss Gott kein Neuerer der Musik ist, zeigt einen gangbaren Weg auf, wie der Blues auch im 21. Jahrhundert seine Existenzberechtigung haben wird, ohne antiquiert zu wirken.


Tracklisting:

My Father's Eyes
River Of Tears
Pilgrim
Broken Hearted
One Chance
Circus
Going Down Slow
Fall Like Rain
Born In Time
Sick And Tired
Needs His Woman
She's Gone
You Were There
Inside Of Me

 

Links: Eric Clapton

Weitere Artikel über Eric Clapton:

Unplugged zum Zweiten (Unplugged, 1992)
Wie ein Sampler (Reptile, 2001)
Den Blues überwunden (One More Car One More Rider, 2002)