Artikel - Archiv 1999
Super 8
Februar 1999
Züri West veröffentlichen ein ausgesprochen poppiges Album. Doch es ist ihr Schaden nicht. Bewertung * * * * *

Super 8 heisst nicht zufälllig nur so. Es ist das 8. Album von Züri West. Und die Band ist wohl ziemlich überzeugt davon, dass sie ein super Album vorgelegt hat. Hat sie auch. Entstanden ist es während der traumhaften Fussball WM in Frankreich im vergangenen Sommer. Wer laute Gitarren wie auf dem Vorgängeralbum Hoover Jam sucht, wird enttäuscht. Super 8 ist die poppigste Platte von Züri West.

Entspannt beginnt sie mit dem Instrumental-Stück Cruiser. Man cruist in einem Cadillac-Cabrio über die Landstrasse, so ins Album hinein. Und dann, wenn es so langsam heiss wird, begibt man sich an eine Bar und bestellt sich einen Mojito. Aus dem Radio dringen Mamboklänge. Der Refrain klingt ganz verdächtig nach Joe Dassin. Dass Mojito ein Züri West Klassiker werden wird, lässt sich anhand des Textes begründen: «I han dummerwiis zwöii Meitschi, eis i mim Chopf und eis im Bett». So beginnt das Playboydrama. Nur eines nimmt man Kuno Lauener nicht ab: Dass er schon nach zwei Mojitos aus den Latschen kippt und nach dem dritten nicht mehr weiss, was er tut. Wohl aber schon eher, dass er sich, wie er in Boulevard singt, lieber vom Nachtleben zeichnen als von Rolf Knie malen lasse.

In Glücklech ist Kuno Lauener ein literarisches Meisterwerk gelungen. Klasisch, wie bei Songtgexten so üblich, ist die erste Strophe gleich der letzten. Als die Band zum ersten Mal in ihrem Kaff spielt, war sie von den schönen Songs und von der Stimme des Sängers beeindruckt. Nach dem Konzert passt sie ihm ab. Dazwischen, in den weiteren Strophen, ziehen sie zusammen, er nimmt den Job als Texter in einer grossen Werbeagentur an und rackert sich ab. Die Sexualität schläft ein. Und als eines Tages wieder so eine Band in die Stadt kommt, ja dann kommt die erste Strophe wieder und der Kreis schliesst sich.

Im neuen, von Suzanne Speich lancierten, Schweizer Pop Sender Swizz muss, so steht es in seiner Konzession, ein Schwerpunkt auf der Schweizer Musik liegen. Und so wurde die Gelegenheit benutzt, zu Echo, einem rassereinen Popsong ohne grosse Schwächen und Qualitäten, einen Videoclip zu drehen. Denn derjenige von I Schänke Dr Mis Härz liegt nun doch schon ein halbes Jahrzehnt zurück.

In Paris und Rue Paradies ist Valentin Wali Kessler am Akkordeon anzutreffen. Wali Kessler gehörte der Bündner Fraktion der Jellyfish Kiss an, die er auch produzierte. Er lebt in Luzei ob Schiers und leitete dort für eine kurze Zeit das Jazz-Ensemble - in welchem auch der Autor mitgespielt hatte. Der wohl berühmteste der Jellyfish Kiss ist Andrea Caprez, welcher die Comics zu den Alben zeichnete und ab und zu eine Illustration für die Sonntags Zeitung liefert.

Auf der ganzen Platte blubbert und rumort es im Untergrund, der Sound des kommenden Milleniums, ein zusammenzug aus der Lounge-Sounds oder den Afterparties nach dem Rave. Oder anders ausgedrückt, Gere Stäuble hat endgültig das musikalische Rüder übernommen. Nicht zum Schaden der Band. So musikalisch vielfältig wie auf Super 8 hat sie sich noch nie präsentiert. In Mistchäfer pfeift Kuno und macht so noch deutlicher, dass der Song eine lauenersche Adaption von John Lennons Jealous Guy (en jalouse siech) ist. In Glücklech kommt ein aus dem Soundtrack von Russ Meyer Filmen gesampeltes Summen einer Frau vor. In 2jahr verleit ein Trompetensolo dem Song einen Penny-Lane-ähnliche Krone. Eine Cover Version darf auch auf diesem Album nicht fehlen: Es ist Sochamesoöppisosäge von Udo Lindenberg in einer Barjazz-Version. Die ersten und letzen röhrenden Gitarren kommen in Chaschmi zum Einsatz. Und weil einem das Album sprachlos macht, endet es mit dem Hiddentrack Zenzibel, einem weiteren.

Zum Schluss, so als Postscriptum, sei noch das Geheimnis des Telefonbeantworters gelöst: Diese reklamierende Nachbarin hatte bei Gerber - Irrtum vorbehalten - sich über den Grasrauch beklagt. Aber seien wir ehrlich, hätten sie dem Rat der Nachbarin (Höred uf drögele, es schtinkt bi i mi chuchi) befolgt, wäre das Album nur halb so toll und vielfältig geworden. Vielleicht werden nachfolgende Generationen über Super 8 schreiben, es wäre Züri Wests psychodelische Scheibe. Ein Geheimnis wird allerdings nicht gelüftet: Wo sich auf dem Cover von Super 8 eine nackte Frau räckelt. Über das Kontaktformular nimmt der Autor Mutmassungen und richtige Antworten entgegen.



Peter Sibi von Sibenthal, Tinu Gerber, Bassist und Webmaster der Band und Kuno Lauener.



Tracklisting

Cruiser
Mojito
Glücklech
Echo
Mischtchäfer
Paris
Morgegägmittag
2jahr
Sochamesoöppisosäge
Auesvomir
Rue Paradis
Boulevard
Chimo
Chaschmi
Zenzibel (Hidden Track)


Vinyl Remix L
Tracklisting:

Seite 1:
Mojito - Different Playground RMX
Mojito -Remixed by Frankie G.
Glücklech - Different Big Cut RMX

Seite 2:

Paris - Remixed by Minus 8
Echo 3000 - Remix by DJ V-K
Glücklech - Kaleidophone Mix


Vinyl Promo Maxi:

Tracklisitng:

Seite 1:
Cruiser

Seite 2:

Zenzibel
Zweejahr

   

Züri West
Super 8
Sound Service 60399-2

Super 8- The Remixes Vinyl-LP
Sound Service 150499-12

Mojito - Vinyl-Promo
Sound Service200299-1

Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk

   

Links:
http://www.zueriwest.ch

 

 

 

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Nach dem Erfolg ( Hoover Jam, 1996)
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