Musicus


Zurück in der Rock'n'Roll Welt
14. März 2007
Bubi Rufener gewährte Yves Baer ein Hintergrundgespräch für die Interviews im RockStar Magazin und der Thurgauerzeitung.  

Bubi Rufener, auf der ersten Platte von Boob findet sich TripHop und Elektropop. Auf der neuen, den «Ono Sessions», wird gerockt. Woran liegt dieser Stilwechsel?
Ich bin ein alter Punkrocker, mit Bishop's Daughter spielte ich Punk. Gegen Ende der 90er-Jahre hatte ich die krachenden Gitarren satt. Mit Küse Fehlmann von Züri West fand ich damals einen Produzenten, der grosses Interesse hatte, diese Soundrichtungen zu erforschen. Als die Platte erschien, erhielt sie geteilte Kritiken. Die härtesten Vorwürfe bekam ich von meinen alten Freunden zu hören. Doch live funktionierte der Sound nicht so gut. Heute spiele ich wieder Gitarre, was meine Freunde mit «Welcome back In The Rock'n'Roll-World» kommentierten. Insofern ist es kein Stilwechsel, sondern ein Nachhausekommen

Ein Grossteil der Songs ist live im Studio eingespielt. Bist du beim live einspielen spontaner als wenn du wochenlang Tonspur über Tonspur mischst?
Das ist schwierig zu beantworten. Ich versuche jeweils Augenblicke festzuhalten. Mich interessieren diese Momentaufnahmen. Die «Ono Sessions» sind eine Sammlung von solchen Momentaufnahmen, bei denen vier Musiker gemeinsam Rockmusik einspielen. Es gibt da diesen siebenminütigen Song «On Your Own», da spielten wir im Studio und hatten die Fenster offen. Plötzlich tauchten Baurarbeiter auf und setzten eine Trennscheibe ein, was man am Schluss des Songs als kreischendes Geräusch hört. Jeder Produzent hätte das rausgeschnitten. Ich liess es drauf, weil es zur Momentaufnahme des Songs passt.

Wie arbeitest du lieber? Live wie bei den «Ono Sessions» oder tüftelnd wie beim letzten Album?
Eindeutig live. Wobei ich lieber live im Studio die Songs einspiele als live vor Leuten zu spielen. Wenn man live spielt, gibt es auch unfertige Stücke. Wenn ich genügend Geld hätte, würde ganz gerne im Studio solche unfertigen Momente einsammeln und ein Album damit machen.

Der Titel des Albums heisst «Ono Sessions». Was fasziniert dich an Yoko Ono?
Sie ist eine grossartige Künstlerin. Ich fand schon immer ihre Filme spannend und sie eine faszinierende Frau. Ich bin ein grosser Beatlesfan und fand die Argumentation, dass Yoko die Beatles ausseinander gebracht hätte, schon immer Schwachsinn. Yoko Ono kann nicht singen, dennoch finde ich Stücke wie «Walking On Thin Ice» grossartig.

Dann gibt es noch die zweite Geschichte. Als Züri West, um ihr Album «Aloha From Züri West» zu promoten, ein Konzert auf dem Hausdach ihres Labels gaben, bat mich Kuno Lauener, mit dem ich befreundet bin, ein paar Verstärker hinauf zu schleppen. Was ich mit Freuden tat. Oben meinte Kuno, es würde noch eine Yoko fehlen. Also kaufte ich eine schwarze Perrücke, bastelte aus einem T-Shirt einen Minirock und kasperte während des Konzertes neben der Band rum und winkte. Diejenigen, die mich von der Strasse gesehen hatten, fragten sich wohl, was das für eine Verrückte wäre. Es hat Spass gemacht und seither nennen mich alle bloss noch Bubi Ono.

Ono ist auch ein Wortspiel, bedeutet auf Berndeutsch auch noch.

Deine Version von John Lennons «Cold Turkey» wird in Bernhard Gigers Dokumentarfilm «Fixerorte» verwendet. Reizt dich die Arbeit am Film?
So habe ich mir das noch nie überlegt. Mein Brotjob ist halbtags in einem Fixerraum zu arbeiten. Ich brauche Jobs, die Sinn machen, und dieser macht Sinn. Als Bernhard Giger seinen Film drehte, sagte ich ihm, ich würde für meine Platte «Cold Turkey» aufnehmen. Er war begeistert und fragte, ob er den Song verwenden könne. Durch meine Arbeit im Fixerraum lernte ich die Junkies zu verstehen und was es heisst, so zu leben wie sie, wenn man eine oder zwei Grenzen verletzt. Deshalb ist meine Version eine ehrliche Version geworden, was man ganz gut hört.
So wie Lennons Originalversion ehrlich ist, weil er selber gefixt hatte.
Genau.

Du hast den Lebenslauf eines Chamäleons: Punkrock mit Bishop's Daughter, Rap mit der Allschwil Posse, TripHop mit Boob, Rock mit den Sugarbabies, nun Rock mit Boob. Wo bist du zuhause?
Wenn du mich so fragst, dann im alten Rhythm & Blues. Meine Eltern sind immer gezügelt. Das hat mich geprägt. Und so wie ich immer wieder gezügelt bin, springe ich in den verschiedenen Musikstilen herum. Mich interessieren eben mehr Musikarten als nur Punk und Rock.

Selbe Frage in grün: Du rappst in Basel, rockst in Bern. Wo bist du zuhause?
Ich bin in Basel geboren, meine Mutter ist Baslerin, mein Vater Berner. Mir sind beide Orte Heimat geworden. Ich lebte ein Jahr im Paris und merkte dort, dass ich kein Stadtmensch bin. Ich brauche viel Grün um mich. Und die Berge. Wenn du so willst, bin ich in der Schweiz zuhause.

Was bedeutet dir die Schweiz?

Als ich von Paris zurückkehrte, realisierte ich, wie angenehm es ist, hierzulande zu leben. Doch die heutige Schweiz macht viele Leute träg und bünzlig. Ich finde, es gehört auch dazu, auch sich kritisch mit der Schweiz auseinander zu setzen und zu sagen, was einem nicht passt. Von diesem Standpunkt aus finde ich es gut, wie sich Rapper wie Stress, Greis oder Kutti MC kritisch zur Schweiz äussern.

Mit der Allschwil Posse rappst du. Du warst auch bei Poetry Slam Veranstaltungen Gastgeber. Das passt irgendwie. Erzähl mir mehr über deine Liebe zu den sprachbetonten Ausdrucksformen.
Ich bin gelernter Buchhändler. Ich sagte einmal, ich könnte ohne Musik leben, aber nicht ohne Bücher. Wahrscheinlich kann ich aber auch ohne Musik nicht leben (lacht). Ich finde Bücher wunderschön, sie sprechen den Tast-, Geruchs- und Sehsinn an. Weil ich eine Leseratte bin, habe ich zur Sprache eine enge Beziehung und so lernte ich auch den Rap zu schätzen. Als ich die ersten Poetry Slam Veranstaltungen hörte, war ich begeistert: junge Leute, die Gedichte schreiben. Als ich 18 jährig war, durfte man das in Punkszene nicht offen sagen. Das hätte als uncool gegolten, wenn man schrieb, dann bitteschön politische Manifeste. Über die Poetry Slams konnte ich viele interessante Leute wie Jürg Halter, Till Müller Kluge, Michael Lentz kennenlernen.

Wenn Du so ein Büchernarr bist, wirst du das Genre wechseln und einmal ein Buch schreiben?
(lacht). Klar, wenn ich Millionen habe, eine Frau gefunden habe, die mit mir auf meinen Landsitz zieht und all dies mitmacht... Nein, im Ernst. Ich glaube kaum. Vielleicht ein Kinderbuch. Aber das kann man nicht von heute auf morgen, das muss man üben.

Kuno Lauener meinte, er können keinen Roman schreiben, aber ein Kochbuch. Man könnte doch die Bibliothek der Schweizer Rocker gründen: ein Kochbuch von Kuno, ein Kinderbuch von dir, ein Malbuch von Büne Huber und von Eicher irgend ein Buch.
Das wäre cool.

Du singst in englisch. Hast du einen Ghostkorrektor?
Ich «lernte“»als Kind englisch von den Beatles und Stones. Bei Bishop's Daughter hatten wir mit Robert Butler einen amerikanischen Bassisten in der Band, da sprachen wir immer englisch. Wenn du so willst, ist Chessy Weaver, Sängerin von Phon Roll, meine Korrektorin. Ich komme mit allen Texten zu ihr. Sie ändert nichts daran, weist mich bloss darauf hin, dass ich wieder einmal die Zeitformen durcheinander gebracht habe.

Du rockst in Englisch und rappst Mundart. Was ist einfacher, um in der Schweiz als Musiker Karriere zu machen?
Das weiss ich nicht. Das muss jeder für sich selber entscheiden. Es gibt viele Mundartbands, die keinen Erfolg haben, und einige englischsingende wie die Lovebugs, die es geschafft haben.

./.

Bubi Rufener, im Sitzungszimmer von Weltrekords.

 

  Finde die drei Hinweise auf Züri West.


Deinen neuen Mitmusiker, Peter von Siebenthal, Christof Kohli und Sam Mumenthaler, sind alle Veteranen der grossen Berner Bands. Planst du nun mit Boob durchzustarten?
Ich mache grundsätzlich keine Pläne im Leben. Ich hoffe aber sehr, dass wir nach der Tournee nochmals eine Platte zusammen einspielen werden. Mir ist in diesem Zusammenhang noch wichtig, dass wir die ganze Platte selber finanziert haben und nicht beim Kanton Bern oder der Pro Helvetia um Geld gebettelt haben.

Wie hast du Peter von Siebenthal an Bord geholt? Als er bei Züri West ausstieg, war er des Business müde?
Das musst du Sibi selbst fragen. Wir alle spielten in einer anderen Partyband, den Backbeat. Wir spielten bloss die Songs, welche die Beatles im Hamburger Starclub spielten, also die Klassiker von Chuck Berry und Jerry Lee Lewis. Vor vier oder fünf Jahren reaktivierten wir die Backbeat, bei denen ich als Gastsänger mitwirke. Als ich sagte, ich würde eine neue Platte aufnehmen, sagten alle, ich solle ihnen die Tapes senden. Und so ergab sich das eine mit dem anderen. Ich möchte betonen, dass diese Platte ein Werk von uns als Band ist und nicht bloss Bubi Ono mit drei Begleitern.

Das Konzert der Sugarbabies im El Lokal war für mich das Konzert des Jahres. Man merkte richtig, welchen Spass ihr hattet. Gibt es da eine Fortsetzung mit weiteren Konzerten oder einer EP?
Danke. Und ja, wir haben im Züri West Übungsraum in drei Tagen 14 Songs aufgenommen. Die CD verkauften unter der Hand an Freunde und Bekannte und den den Teilnehmern auf der ersten Schweizer Blues und RockCruise. Sie ist sehr gefragt.

Entstanden ist die Band beim 100-Jahr-Jubiläum von YB. Da wurden Züri West angefragt zu spielen, und sie konnten nicht. So rief mich Kuno an. Und wir gründeten die Sugarbabies.

Wie ist Kuno Lauener als Bassist?

Sehr stilsicher. Er verfügt ein grosses musikalisches Wissen, er weiss genau, wie etwas klingen muss.

Wollte er nicht der grosse Sänger bei den Sugarbabies sein, wie er es bei Züri West ist?
Ich denke, er genoss es, im Hintergrund zu sein. Wir kennen uns sehr gut und wir pushten uns gegenseitig.

Kuno Lauener ist für mich... e
in lieber Freund und guter Musiker.

Dein Lieblingstext von ihm?

Man wird ihm nicht gerecht, wenn man nur einen Text nennt. Aber die Geschichte auf der vorletzten Platte mit dem Ding im Kopf, die fand ich super.

John Lennon oder Paul McCartney?
Das ist die einzig schwierige Frage im Interview! Im Zweifel für John Lennon.

Also etwas einfacher: Roger Waters oder David Gilmour?

Syd Barret!

Du kommst an ein Fest und es sind nur noch zwei Plätze frei: einer neben Christoph Blocher, der andere neben Pascal Couchepin. Neben wen setzt du dich?
Christoph Blocher, den würde ich lieber provozieren.

Die Schweizer Musikszene sollte mehr...
den Mut haben, die Grenzen auszuloten und weniger auf die Labelmanager hören, die sie in irgend ein Gerüst zwingen.

Wie modern ist Retrorock?
Keine Ahnung.




Bubi Rufener, 14. März 2007.

 

 

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