Gedenken an die grösste Bruchbude
8. März 2013
David Grohls Regiedebüt «Sound City» ist die Hommage an das gleichnamige Studio in Los Angeles mit seinen Besitzern, Produzenten, Musikern und den Alben die darin entstanden. Der Soundtrack dazu hat spannende Duette, wie jenes der restlichen Nirvana und Paul McCartney. Bewertung * * * * *


Der Film beginnt stimmungsvoll mit dem Tontechniker, der im Studio Licht macht, alles verkabelt und ein Band ins Mischpult legt. Dann setzt sich David Grohl hinzu, stimmt seine akustische Gitarre und beginnt zu spielen. Danach erzählt er, wie drei junge Männer mit dem Van von Seattle nach L.A. fuhren, glücklich, ein weiteres Album aufnehmen zu können. Das Studio war verfallen, faktisch Pleite. Nach 16 Tagen war «Nevermind» im Kasten und ermöglichte dem Studio seine zweite Lebenshälfte.

Eröffnet wurde das Sound City Studio im San Fernando Valley 1969, ein Jahr später nahm dort Neil Young Teile des «After The Goldrush» Albums auf. Studiochef Tom Skeeter kaufte 1973 ein Nieve Mischpult, welches das Markenzeichen des Studios werden sollte. Die Konsole war handgemacht, insgesamt wurden vier Stücke hergestellt. Skeeter bezahlte 76 000 Dollar, das doppelte seines Hauses. Dsa Nieve eignet sich besonders für den Schlagzeugsound. Neil Young bezeichnet es als Raumschiff Enterprise auf Stereoiden. Der erste Meilenstein, der darauf entstand, war «Rumours» von Fleetwod Mac.



Der Tourguide durch die Geschichte des Sound City Studios und den Film: Nirvana-Drummer und Foo Fighter Frontmann Dave Grohl.

Aufstieg
In den 80er-Jahren war das Sound City Studio immer ausgebucht, Barry Manilow, Rick Springfield, Saxon, Guns'n'Roses und Tom Petty nahmen ein paar ihrer bedeutensten Alben auf. Doch der technische Fortschritt der 80er-Jahre sollte das Studio in seiner Existenz bedrohen. Drum Computer von Pro Tools sollten die Musikindustrie nachhaltig ändern. Schlagzeuglegende Jim Keltner (John Lennon, George Harrison, Eric Clapton, Bob Dylan, Neil Young, Pink Floyd, Steely Dan, Crowded House) erzählt, wie er zu Beginn der Digitalisierung sein eigenes Schlagzeug sampelte. 1983 erschien kam die CD auf den Markt, die grössten Hersteller hatten sich auf einen Klangstandard geeinigt. Neil Young klagt im Film, dass man einen Algoritmus-Fehler gemacht habe, weshalb der digitale Klang dem analogen bis heute unterlegen wäre. Nichts desto Trotz konnte Sound City nicht mit den grossen Marketingkampagnen von Pro Tools (Slogan: No More Tapes) mithalten und der künstlichen Überproduktion der Achtziger entgegenhalten.

… und Fall
Für 600 Dollar pro Tag hatten Nirvana das Studio gemietet, mit einem Budget von 60 000 Dollar entstand «Nevermind». Produzent Butch Vig erinnert sich, wie er bei «Lithium» Dave Grohl zu einem Metronom verknurrte, damit er den Takt hielt. «Something In The Way» wurde im Kontrollraum aufgenommen, als Kurt Cobain auf dem Sofa lag, auf der Gitarre klimperte und vor sich hin brabbelte. Zum Abmischen liess Butch Vig einen Mac und das Programm «Sound Creator» anschleppen. Während zwei Stunden rechnete der Apple, stimmte das Resultat nicht , drückte man auf Undo. Krist Novoselisc erzählt, dass er damals den Computern keine grosse Zukunft prophezeit hatte.



Dave Grohl in seinem Studio mit dem aus der Konkursmasse erstandenen Nieve Mischpult..


Der Rest ist Geschichte: «Nevermind» wurde zu einer der wichtigsten Platten der 90er-Jahre, Sound City lebte auf und wurde zum Wallfahrtsort der Musiker, die analog und live aufnehmen wollten. Der Computer setzte sich definitiv durch, Nirvana waren nach dem Selbstmord von Kurt Cobain 1994 Geschichte. Weitere Meilensteine der Rockgeschichte wurden eingespielt, Johnny Cash, Rage Against The Machine, Nine Inch Nails oder Kyuss begaben sich ins urige Studio. Im neuen Jahrhundert nahmen Queens Of The Stone Age «Rated R» und Metallica «Death Magenitc» auf. Nach dem Ende eines grossen Tapefabrikanten hatte 2011 das letzte Stündlein für das Sound City Studio geschlagen. Der Film macht es sich einfach, Pro Tools als Hauptschuldigen für das Ende des Studios zu bezeichnen. In vierzig Jahren wurde kaum ins Equipment investiert, ein neuer Anstrich anno 1990 war das einzige gewesen. Trent Reznor von den Nine Inch Nails ist die dosierte und wohltuende Kontrastimme im allgemeinen Pro-Tools Bashing.

Der Soundtrack mit Paul McKurtney
Als Dave Grohl vom Ende des Studios erfuhr, kaufte er im November 2011 das Nieve-Mischpult, das so eng mit seiner Karriere verbunden ist. Nach der Installation in seinem Studio, kam ihm die Idee zum Film, er wollte die Geschichte des Mischpultes erzählen. Im zweiten Teil des Films lud Grohl einige der Musiker, welche im Sound City aufgenommen haben, zu Jamsessions mit den Foo Fighters ein. Den improvisierenden Charakter behält das Album bei, Grohl spielt mit den Mitgliedern von Rage Against The Machine, Fleetwood Mac, Black Rebel Motocycle Club und Slipknot. Mit von der Partie ist auch Josh Homme, der seinen Spezi Alain Johannes mitbringt.

Der Film dokumentiert widmet zwei Songs ein eigenes Kapitel: Das hypnotische «Mantra», das Dave Grohl, Josh Homme und Trent Reznor einspielen und zwischen Nine Inch Nails und Queens Of The Stone Age wabert. Den Schlusspunkt im Film setzt der Song «Cut Me Some Slack», den Paul McCartney mit den Rest-Nirvana einspielt. Am Benefizkonzert für die Opfer des Wirbelsturms Sandy feierte der Song seine Livepremiere. Seit 2008 ist Grohl McCartneys Ersatzdrummer, Grohl wollte ihn bei den Crooked Vultures an Bord haben, weitere Kollaborationen folgen. «Cut Me Some Slack» rockt wie einst «Helter Skelter» und war der perfekte Werbeträger für einen gutgemachten Dokumentarfilm und einen solid rockenden Soundtrack dazu.

Rezeption
Der Film wurde von den Kritikern mit Wohlwollen aufgenommen. Das Album erhielt bei Allmusic.com 3 von 5 Sternen, der New Musical Express gab 7 von 10 und das Rolling Stone 3,5 von 5 Sternen. Der Soundtrack wurde 2014 mit zwei Grammies ausgezeichnet, Best Compilation Soundtrack for Visual Media für das Album, Paul McCartney und Dave Grohl konnten den Grammy für den besten Rocksong des Jahres für «Cut Me Some Slack» entgegen nehmen. Eine Woche nach den Grammys berichtete, dass die Käufe der Single auf Amazon.com sich um 9000 Prozent (!) vervielfachten, von Platz 21 943 auf 134.

Krist Novoselic, Paul McCartney und Dave Grohl am Benefizkonzert am 12. Dezember 2012 zugunsten der Opfer der Hurrikans Sandy, während der Livepremiere von «Cut Me Some Slack». – Foto: paulmccartney.com



Tracklist:
Heaven And All
Time Slowing Down
You Can't Fix This
The Man That Never Was
Your Wife Is Calling
From Can To Can't
Centipede
A Trick With No Sleeve
Cut Me Some Slack
If I Were Me
Mantra









 

 

Links: Cut Me Some Slack auf paulmccartney.com



  Notenraster:
* Geld verschwendet
* * Eine EP hätts getan
* * * Okay
* * * * gutes Album
* * * * * we are pleased
* * * * * * Meisterwerk
 

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