unheimliche Begegnung
11. August 2011


Mit gestreckten Beinen schwebe ich oberhalb von Glaris über Wiesen und eine Langhaar Pony Zucht in Richtung Bergstation Jatzmeder hoch. Ist die Strasse sichtbar, halte ich Ausschau, ob Touristen mit dem Trottinett auf der Abfahrt in Gegenrichtung unterwegs sind. Ich geniesse die Einsamkeit in meiner silbernen Gondel. Endlich ist es geschafft, dies sind die ersten bewusst erlebten Momente eines verlängerten Wochenendes.
«Herrlich, so entspannt in die Höhe zu schweben», denke ich.

Zeit für ein spätes Mittagessen. Während ich im Bergrestaurant Jatzemder auf meinen Rinerhornteller mit Rohschinken, Bündnerfleisch, Salsiz, Bergkäse und Birnenbrot warte, beobachte ich einen Vater mit zwei kleinen blonden Töchtern, zumindest die jüngere dürfte noch nicht stubenrein sein. Freudig tappsen die Mädchen zur Kühltruhe, während der Vater sich zur Kaffeemaschine begibt. Das ältere Mädchen weiss bereits, was es möchte und teilt dies mit, während das jüngere die bunten Fotos auf der Kühltruhe begutachtet und danach aufgeregt ruft:
«Darf ich das Smarties haben?!» Das wäre jenes, das Annika in der Badi gehabt hätte, antwortet der Vater von der fauchenden Kaffeemaschine her. Und die Smarties wären nur winzig. Was das Mädchen nicht weiter anficht, sondern mit Nachdruck ebendieses Glacé wünscht. Der Vater kommt, nimmt die zwei gewünschten Glacés aus der Truhe und geht zur Kasse, wo er sie zusammen mit dem Kaffee und einem Stück Kuchen bezahlt. Als er noch ein Stück Apfelstrudel dazunehmen möchte, weist ihn die Kassiererin darauf hin, dass dieser 9 Franken kosten würde, was der Vater nun doch etwas teuer findet und sich mit dem Stück Schwarzwäldertorte zufrieden gibt, das von der Grösse her für zwei reicht und alles bezahlt. Lachend und hüpfend verlassen die Mädchen das Restaurant, gefolgt von ihrem glücklich strahlenden Vater. Ich blicke ihm nach, er trägt Shorts und ein Poloshirt.
«Das nenne ich entspannt!», denke ich, Jeans und mein grünkariertes Wanderhemd tragend und blicke auf die Karte mit den Routenvorschlägen, die mir eine fast dreistündige Wanderung nach Monstein anzeigt. Nach einem Blick auf meine Uhr, überschlage ich, dass ich Werner – abgemacht haben wir zwischen 6 und 7 Uhr – wohl genau in der Mitte davon wieder treffen werde.

Nehme den Höhenweg über den Nidellöffel – ob dort die Kühe gleich Rahm geben? Der Blick auf die Davoser Gipfel unter dem hellblauen Himmel und das bewaldete Landwassertal hinab ist erhaben, in den blühenden Bergwiesen summt und zirpt es. Gut eine Dreiviertelstunde führt der Weg durch Alpenrosen und kleinwüchsige Eichen hindurch. Kurz bevor ich einen Bach durchqueren muss, kommen mir die beiden Frauen aus dem Postauto nach Monstein entgegen. Sie freuen sich, mich zu sehen, können aber ihr Erstaunen darüber nicht verbergen, dass ich ihnen entgegenkomme, als wir uns grüssen. Nach dem Leidbach betrete ich einen Lärchenwald, der durchmischt mit Rottannen ist, der Weg ist von Wurzeln durchzogen und mit braunen Nadeln übersät. Er riecht nach sommerlichem Bergwald, den Nadeln auf dem Boden und einer Idee von Harz. Ein Geruch, den ich mit den Sommerferien in Trin Mulin während der Kindheit in Erinnerung bringe. Seit ich vor fünf Jahren das erste Mal mit Werner in Davos zum Wandern aufgebrochen bin, wollte ich vom Rinerhorn her durch den Rotschwald nach Monstein hinabwandern. Wie oft wünscht man sich, einen Ort näher kennenzulernen, an dem man vorbeifährt? Und wie oft, wenn man sich einen Wusch erfüllt, fühlt es sich vollkommen normal an? Genauso verhält es sich bei mir mit dem Rinerhorn. – Die Vorfreude, und wenns hochkommt die Erinnerung danach, die einen in Erregung versetzen, im Moment selber aber…

Auf der Hauderalp erschrecke ich mich beinahe zu Tode, als auf einmal ein fordernder Ho-Ruf erklingt. Der Weg gibt aber nur den Blick auf einen Fahrradständer frei, was danach oder daneben ist, ist meinem Blick durch Felsen verborgen. Alles was ich höre, ist ein weiterer Ho-Ruf. Nun ist es still. Durchatemend trete ich auf die Alp, zuerst sehe ich einen Brunnen, dann ein Hausdach, ein klappriger Stand, wo Honig und Milch verkauft werden, dahinter ein Wohnhaus, vor dem ein Bartli in graublauen Gewand steht und mir zunickt, so als ob er dem Alpöhi-Handbuch entstiegen wäre. «Hey-Ho!», ruft er nochmals. Ich schaue in die Rufrichtung und sehe eine trödelnde Kuhherde den Weg Richtung Stall hinabtrotten. Nun endlich lässt der Schreck nach und ich nehme das Gebimmel der Kuhglocken war. «Ho-Hoohh!», ruft der Senn, klatscht in seine Hände und wiederholt seinen Ruf nochmals etwas schneller. Gelangweilt grasen die ersten Kühe wieder, die vorderste schaut den Senn verständnislos an, als ob sie sagen möchte, dass die Sonne noch hoch am Himmel stehe, weshalb sie nun schon gemolken werden sollten? Entspannt und ohne weitere Vorkommnisse wandere ich weiter. Als ich Monstein ankomme, bin ich für das Rendez-vous mit Werner mehr als zwanzig Minuten Zeit zu früh.

davos landwasser graubünden





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