flanierend in Regensburg
24. März 2017


Zufrieden spazieren Vater und ich über die Kupfmühlerbrücke in Richtung Altstadt und überqueren die Handvoll Gleise, die zum Hauptbahnhof auf unserer Rechten führen. Regensburg mag Bisschofssitz sein und eine Universität haben, Zürich hat letzteres aber keinen Bischof, doch anhand der Anzahl Geleise ist erkennbar, dass wir uns in einer deutschen Kleinstadt und nicht in einer Metropole befinden, durch den Bahnhof Hardbrücke mitten in Zürich führen mehr Geleise als in den Hauptbahnhof Regensburg. Mir gefällt der Blick von der Kupfmühlerbrücke südwestwärts, wo die Hochhäuser vom Stadtrand her grüssen.

Unser Weg führt uns am grünen Verlagsgebäude des Mittelbayerischen Verlages vorbei, der die Mittelbayerische Zeitung herausgibt. Lächelnd erinnere ich mich, dass sie als Forumszeitung und Monopolblatt vom Volksmund als die «Mittelmässige» bezeichnet werden soll. Kurz danach passieren wir eine Villa in einem Garten mit hohen Bäumen, angeschrieben ist sie als «Ratisbona Handelsimmobilien». Auf Französisch heisst die Stadt Ratisbonne. Die Kreuzung, die wir nun überqueren ist alles anders als adelig, obwohl links zu unserer Gehrichtung die Wittelsbacherstrasse verzweigt und rechts die Fürst-Anselm-Allee in Richtung Schloss der Fürstenfamilie von Thurn und Taxis abgeht. Der Strassenname zeugt vom blaublütigen Selbstverständnis, Fürst-Anselm-Gasse wäre treffender. Immerhin hat es Bäume, die Kupfmühlerstrasse wird nach der Kreuzung zur Schottenstrasse, ein kurzes Stück gehen wir unter Bäumen, nach der zweiten Strasse erreichen wir die Altstadt und kurz darauf den Bismarckplatz, wo im Hochsommer keine freie Sitzfläche mehr zu ergattern ist, auch Ende März sind die sonnigen Plätze gut besetzt, obwohl die Cafés noch nicht auf den Platz getischt haben.

stenz eis regensburg 2017


In der Gesandtenstrasse, die breiter als die Fürst-Anselm-Allee ist, stehen die Leute vor «Stenz Eis» bis fast zurück auf den Bismarckplatz an. Sinnigerweise gleich neben dem Zahnpflege-Fachgeschäft von Roswitha Hess. Ihr Namensschild hat zwei Trennstriche: «Zahnpflege- und auf der neuen Zeile -Fachgeschäft. Überhaupt, die Schilder in der Regensburger Altstadt: «Oma» bietet kolumbianischen Fairtrade-Kaffee zum Mitnehmen an, Gut und Schön wirbt mit Reinkommen. Entdecken. Mitnehmen. Es ist ein Kramladen für Geschenke, Schokolade, Postkarten, Tees und dazu passende Krüge. Die Bibliothek der Stiftung zur Förderung des Schrifttums zeigt unter dem Motto «Einbrenn, Gesottenes und Nockerln» eine Ausstellung von Kochbüchern aus der frühen Neuzeit bis in die Gegenwart. Maradonna ist ein Pizza- und Döner-Take-Away, vis-à-vis von «Bücher Pustet» befindet sich namensmässig mein Lieblingsgeschäft: «Anna liebt Brot und Kaffee», gleich nebenan wirbt ein Schild für die Mischbar.

Nach dem fast schon obligaten Zwischenhalt bei «Bücher-Pustet» setzen Vater und ich unseren Stadtrundgang fort, weiter die Gesandtenstrasse entlang, studieren die Occasionen-Schaufensterauslage eines Fotofachgeschäftes, und gelangen schliesslich an den Neupfarrplatz, den wir queren. Wir sind durstig, gehen aber noch am Dom vorbei über den Krauterermarkt in Richtung Donau bis zur Goliathstrasse. Wir halten uns links, beim Watmarkt erscheint uns das italienische Restaurant L’Osteria passend für einen Cappucino. Da es darin starkt hallt, bleiben wir nicht für das Nachtessen sitzen, sondern flanieren weiter, am Goliathhaus vorbei und dann durch enge, aber hübsche Gassen zurück zum Dom, den wir von aussen würdigen. Das Grossmünster hätte mehrfach drin Platz.

Hinter dem Dom und dem gleichnamigen Platz folgt die kurze Domstrasse, die auf einem grossen Parkplatz endet. Irgendwo müssen die Messebesucher auch parken. Wir folgen die Speicherstrasse und entdecken die Schwarzer-Bären-Strasse, der wir natürlich folgen, zurück in die Altstadt, von Osten her sind wir bisher noch nicht zum Neupfarrplatz gekommen. Wir überqueren den Platz, an der Gedenkstätte für die ehemalige Synagoge sind elf Stative aufgestellt mit Fotoapparat aufgestellt, darumherum stehen sechzehn Personen beieinander. Wahrscheinlich ein Fotokurs mit der Aufgabe, vom Neupfarrplatz aus den Dom beim eindunkeln zu fotografieren. Die nächste Querstrasse ist die Obere Bachgasse, wir entdecken das Hemingway’s, bisher haben wir bei jedem Aufenthalt in Regensburg hier Station gemacht. So auch heute, Vater und ich trinken ein Feierabendbier und rauchen einen Zigarillo. Hier essen möchten wir nach dem einfachen Mittagessen an der Autobahnraststätte, nicht. So bezahlen wir und brechen auf.

regensburg neupfarrplatz fotokurs 2017


Weit gehen wir nicht, wir überqueren bloss die Obere Bachgasse. Gleich gegenüber des Hemingways ist das Restaurant Italia. Als wir es betreten, gehören wir zu den ersten Gästen an diesem Abend. Über drei Stufen gelangt man in den Gastraum, drei Reihen schwarze und braune Kacheln nehmen das Muster von der Fassadenverzierung im Innern auf. Schwarze Bänke und Stühle und mit weissen Tischtüchern gedeckte Tische stehen in zwei Reihen den Wänden entlang. Das Ambiente ist heimelig, der Raum ist eng, ohne beengend zu wirken, wohl auch, weil die obere Hälfte der Wände weiss gestrischen ist und an der Decke weisse Mattglasscheiben ein Glasdach suggerieren. Dass tatsächlich Licht von oben herunterscheint, liegt daran, dass es sich um eine gigantische Lampe handelt. Um im historischen Innenhof zu sitzen, ist es noch zu kalt. Das Italia scheint ein Familienbetrieb zu sein. Die Karte bietet vor allem Pizza und Pasta, Vater nimmt das Filetto alla griglia ich die Calamari alla Griglia mit Reis und Salat. Es schmeckt uns, sollten wir nochmals in Regensburg drucken, wüssten wir nun, wo wir wieder essen würden.

Auf direkten Weg kehren wir durch die nächtliche Altstadt ins Hotel zurück, wo wir uns an der Bar noch etwas holen und im Aufenthaltsbereich in der Lobby zu Zeitungslektüre trinken. Der Tag endet mit einem weiteren Schild, dieses Mal am rotgestrichenen Feuerwehrkasten im Hotelflur, worauf «Steigleitung trocken. Nur für Feuerwehr» steht. Ich stelle mir vor, wie die Feuerwehrleute im Brandfall aus diesem Kasten springen. Tatsächlich wird sich wohl dahinter eine Wasserleitung mit Schlauchanschluss befinden



Nachstatz vom 12. März 2021:
Anfang 2019 gab das Italia den Betrieb auf. Seit April 2019 befindet sich die Tappasbar Bolero’s in den Räumlichkeiten. Sie wird von den Betreibern des Hemingway’s betrieben.

theater regensburg 2017 nacht
Das Theater Regensburg am nächtlichen Bismarckplatz.


regensburg
Klug bietet Wäsche, Dessous und Bademoden feil.

regensburg italia


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in der Druckerei – 24. März
unterwegs zwischen Spargel und Hopfen – 24. März
Kunstbetrachtungen mit Kuno Lauener – 23. März


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Regensburg, l’Osteria: tischgrosse Pizza – 24. März
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