Zu Beginn
der Sessions forderte Produzent Nigel Goodrich (Radiohead,
Beck) McCartney auf, seine Tourband zu entlassen. Mit dieser
Massnahme wollte den McCartney nicht bloss aus dem sicheren
Fahrwasser locken, sondern eine Platte einspielen, die nach
ihm klingt. Goodrichs Strategie ging auf. In der englischen
Presse liess sich McCartney zitieren, dass er das beste Album
seit Band On The Run (1973) eingespielt hat. Er untertreibt
nicht, musikalisch vielfältiger waren bloss noch die
Beatlesalben ab Revolver. Und Chaos And Creation
In The Backyard braucht den Vergleich mit
ihnen nicht zu scheuen. Und wie beim Spätwerk der Fab
Four waren die Aufnahmesessions Konfliktgeladen, denn Nigel
Goodrich sagte jeweils ziemlich direkt, wenn er eine für
Müll hielt. «Wir brauchten jeweils zwei Tage, um
darüber hinweg zu kommen», erzählt McCartney
in der Begleit-DVD.
Chaos And Creation In The Backyard ist ein Aufeinandertreffen
von Radiohead und den Beatles und somit ist ein stetiger Kampf
zwischen der Sonne und den dunklen Wolken. Goodrich bewahrt
McCartney davor, ins triviale und kitschige abzudriften, während
McCartney mit seinen Melodiebögen Goodrichs Soundlandschaften
konterkariert und die melancholische Stimmung zu durchbrechen
vermag. Wie Eingangs erwähnt, spielte McCartney nach
seinen selbstbetitelten Alben von 1970 und 80 wieder alle
Instrumente selbst spielt - ausser natürlich, wo ein
Orchester zu hören. Goodrich wollte ein Album, das McCartney
klang, denn das wäre es, was die Leute wünschten.
Doch lediglich der Ohrwurm Fine Line und die Ballade
Jenny Wren, die McCartney als kleine Schwester von Blackbird bezeichnet, klingen für den Hörer vertraut. McCartney
verwendet bei Jenny Wren das Fingerpicking Blackbirds
und kombiniert es mit Cello aus Yesterday. Herausgekommen
ist ein Song, der wie Eleanor Rigby unter die Haut
geht.
Voller musikalischer Ideen
Das melancholische At The Mercy zeigt einen gereiften,
nachdenklichen McCartney, der Ambient-Hiddentrack folgt dem
bombastischen Anyway. Lautmalerisch sind das Xylophon
und das Pianoriff in Riding To Vanity Fair. Die grösste
Veränderung erfuhr Follow Me, letztes Jahr beim
Zürcher Konzert ein sphärischer Song, das auf dem
Album als simples Gitarrenstück daherkommt. Gespickt
mit guten Ideen ist Promise To You Girl, während English Tea nicht bloss musikalisch daran erinnert,
dass McCartney im nächsten Jahr 64 wird, sondern seinerzeit
auf Sg.t Pepper einen Song über dieses Alter hatte.
Und als wäre das allen noch nicht genug, schüttelt
er mit A Certain Softness noch schnell einen Bossa
Nova aus dem Handgelenk.
Chaos
And Creation ist ein Album geworden, das sich nicht mit
einem Mal anhören erfassen lässt, zu breit ist Universum
der verwendeten musikalischen Ideen. Ein ähnlich grosses
Spektrum deckten die Beatles auf dem Weissen Album ab, einem
Doppelalbum notabene. Die Diskussion über das Cover und
einen Punktabzug in der Bewertung erspart sich Macca durch
den Schuber, in welchem die Limited Edition daherkommt. Der
Gestalter hat es tatsächlich geschafft aus dem Namen
Paul McCartney ein Anagramm zu machen. Und dass es aus einem
P ein Y gibt, braucht noch etwas.
Nicht nur
bei Macca, auch bei den Fans ist die Freude über das
Meisterwerk gross. (Bild: paulmccartney.com) |
Tracklisting:
Fine
Line
How Kind Of You
Jenny Wren
At The Mercy
Friends To Go
English Tea
Too Much Rain
A Certain Softness
Riding To Vanity Fair
Follow Me
Promise To You Girl
This Never Happened Before
Anyway (+ Hiddentrack)
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Das
Paul McCartney Dossier enthält bisher folgende Artikel:
Von Steinen und Käfern
(2005, Stones vs Beatles aus der Sicht des Nachgeborenen)
Back In The USSR
(2005, Paul McCartney In Red Square - A Concert Film)
Here
Today (2004, Konzertbericht vom Konzert im Letzigrund Zürich
vom 2. Juni)
Für
alle Kinder dieser Welt (2004, The Music & Animation
Collection)
Abgespeckt
(2003, Beatles: Let It Be Naked)
Zurück
aus der neuen Welt (2003, Back In The World bzw. USA CDs,
DVD)
Nur ein kleines
Detail (2003, zur Umstellung von Lennon/McCartney auf McCartney/Lennon)
Maccas
Freiheit (2001, Driving Rain)
Liverpool
Soundcollage (2000, Liverpool Soundcollage)
Lauf Teufel
Lauf (1999, Run Devil Run und Working Classical)
The Firemen
Rushes In (1998, Firemen: Rushes)
Die Welt
heut Nacht (1997, Flaming Pie)
Nekrophile
Sounds (1995, u.a. Beatles Anthology 1)
Thrillington's
Trance Beat (1995: ReIssue Thrillington, 1993: Firemen:
Strawberries Ocean Ship Forrest)
Flying
Around (1993, Off The Ground)
Unplugged
(1992, Unplugged The Official Bootlegg vs Eric Claptons Unplugged)
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