Sprachebtrachtung: Idiotenapostroph und Trennstriche
31. Mai 2008


Der Idiotenaprostoph verbreitet sich im deutschsprachigen Sprachraum wie ein Unkraut, gegen das kein Kraut gewachsen ist. Und ja, auf meiner Webseite verwende ich ihn auch, aber orthografisch richtig. Aber im Gegensatz zu meiner Webseite findet man in der weiten Welt manch sprachliche Grausamkeit, die schon fast an Folter grenzt. Diejenige, die mir heute in Form eines kleinen Jungen entgegen gekommen war, ist dermassen falsch gewesen und tut nur schon beim blossen Gedanken daran weh, dass etwas an der ganzen Angelegenheit nicht stimmen kann. Denn der Text auf dem T-Shirt des Buben ist so unvergleichlich falsch, dass in mir sofort der Verdacht einer genialen Verballhornung des Idiotenapostrophs aufkeimt und ich annehme, dass der holde Zweit- oder Drittklässler ein Lehrersöhnlein war. Er war definitiv zu jung, um zu verstehen, was auf seinem Shirt aufgedruckt worden war: Er trug ein schwarzes T-Shirt auf dem in der Schrift von Levi’s neben dem zur Schriftmarke mitsamt Genitiv-Apostroph-S gehörendem roten Kästchen in weissen Lettern Swis’s geschrieben war.

Danke, dass Sie mit mir mitschreien, geteilter Schmerz ist halber Schmerz! Erinnern wir uns kurz an die Fakten: im Englischen wird der Genitiv mittels Apostroph und S gebildet. Während man im Deutschen bloss das «S» anhängt. Den germanischen Apostroph benötigt es bloss bei Genitiven, die ohnehin auf «S» enden, wie zum Beispiel Yves, dessen korrekter Genitiv Yves’ lautet. Der Apostroph ist hier in seinem klassischen Sinne als Auslassungszeichen für das entfallene zweite «S» verwendet worden. Über die Aussprache schweigen wir uns nun mal aus und wenden uns wieder der Grammatik zu. Da Englisch zur Weltsprache wurde, ist mit der deutschen Rechtschreibreform der Gebrauch des Genitiv-S geregelt worden. Und zwar deutsch und gründlich. Nach wie vor ist Apostroph + S im Falle eines Genitivs falsch. Wie zuvor. Der Apostroph kommt nur zum Zug, wenn das Substantiv auf -s endet. Auch dies ist unverändert. Neu hinzugekommen ist, dass bei Eigennamen das Apostroph-S verwendet werden kann, wie man es im Englischen immer sieht und dann die falschen Schlüsse daraus zieht. Schauen wir uns das an einem Beispiel an: Paul McCartney’s Ecce Cor Meum steht korrekt auf der CD-Hülle seines zweiten Oratoriums. Korrekt auf Englisch, denn auf Deutsch musste man bisher im Genitiv schreiben: Paul McCartneys Ecce Cor Meum. Ohne Apostroph. Das bleibt. Ausser das «Ecce Cor Meum» bezeichnet nun, was Paul McCartney tut, wie in Ritas Bastelladen, den Rita nun korrekterweise auch Rita’s Bastelladen nennen darf. Oder Yves Baer’s Verlag zum froehlichen Baeren. Während Paul McCartney’s Ecce Cor Meum ein korrekt verwendeter englischer Genitiv ist und deshalb im deutschen ohne Apostroph-S auszukommen hat, haben Rita und Yves Baer gemeinsam, dass sie hier ihre Unternehmung (sei es nun ein Restaurant, ein TV-Geschäft oder ein Solarium), mit ihrem eigenen Namen, also mit dem Eigennamen benennen. In solchen Fällen ist der so genannte Idiotenapostroph erlaubt. Wenn nun aber Rita ein Oratorium komponiert, muss sie in der deutschen Sprache auf den Apostroph verzichten. Im Englischen ist er korrekt, weil es bloss der Genitiv ist, der festhält, das das Oratorium von Rita ist. Wie «Ecce Cor Meum» von Paul McCartney ist, so wie «Yesterday», «Hey Jude» oder «Hope Of Deliverance» auch.

Sie fragen sich nun sicher – und dies absolut berechtigt – weshalb man das Zeichen Idiotenapostroph nennt. Das hat damit zu tun, dass ihn fast ausschliesslich Normalanwender der deutschen Sprache gebrauchen, die zwar – ausser gegenüber Ausländern, da vergessen sie jede korrekte Aussprache – sich der deutschen Sprache bedienen können, aber in den Regeln nicht ganz so sattelfest sind, wie die Herren und Damen LektorInnen, KorrektorInnen und LehrerInnen. Weshalb oft halt allerei Idiotisches herauskommt. Wie zum Beispiel CD’s bzw. DVD’s. Das ist falsch, denn hier handelt sich um eine schlichte Mehrzahlform. Und die wird gebildet – das weiss jedes Kind – indem man schlicht ein S anhängt. Weshalb es korrekt CDs und DVDs heisst. Wir lassen nun den Exkurs in die Thematik der Gross- und Kleinschreibung, denn die Computerrevolution hat ein paar sprachlich seltsame Blüten getrieben. Dieses Sprachbetrachtung wird beispielsweise im Programm InDesign geschrieben. Korrekterweise müsste es ja heissen In Design (keine Ahnung, wie man einen Leerschlag kursiv darstellt). Wie gesagt, wir lassen das Thema und schliessen mit einem kleinen Test ab: Finden Sie die Fehler im folgenden Satz: Peter’s Lehrer verteilte CD’s mit Bildern der Flugzeuge der Swis’s.

Ich bin mir sicher, dass Sie problemlos die drei Fehler gefunden haben, da Sie nun verstanden haben, wie der Idiotenapostroph von gebildeten Leuten verwendet wird. Darum kehren wir nun zum kleinen Jungen zurück, der uns eingangs der Sprachbetrachtung am Wipkingerplatz entgegen gekommen ist. Ich frage Sie nun ganz offen: trauen Sie dem Achtjährigen zu, dass er verstanden hat, was er auf seinem T-Shirt trägt? Zur Erinnerung: Die Schrift von Levi’s und das rote Viereck das zum Schriftzug gehört, waren korrekt wiedergegeben. Die Wortmarke stellt aber anstelle des Jeansherstellers den Namen der Schweizer Airline Swiss dar.

Haben Sie’s bemerkt – ich meine nicht den Auslassungsapostroph in Sie’s – die Jeansmarke schreibt sich im Gegensatz zur Airline mit Apostroph, so wie Paul McCartney’s Ecce Cor Meum. Wie wir gesehen haben, ist das in Englisch korrekt. Sogar als Genitiv. Das kommt daher, dass die Jeans ursprünglich von einem amerikansichen Juden Namens Levi hergestellt worden waren, weshalb die Amis von Levi’s Jeans gesprochen haben. Und weil die Jeans von so guter Qualtität waren, wurde der Begriff Levi’s das Synonym für gute Jeans. Sollte diese Geschichte nicht den historischen Tatsachen entsprechen, erklärt sie aber durchaus die Entstehung der Wortmarke, so wie der Name des Staubsaugers von Hoover zum Synonym für Staubsauger wurde und man als Fremdsprachiger im Englischunterricht lernt, dass to hoover staubsaugen heisst.

Ich kann Sie beruhigen, auch in der deutschen Sprache dürfen Sie Ihre 501 von Levi’s mit Apostroph-S beschreiben, denn Eigennamen werden immer in der Herkunftssprache geschrieben. Weshalb die Schweizer nach wie vor korrekt Spaghettis und nicht Spagettis (die ohne H, dafür im Italienischen nun mit einem Tschi ausgesprochen werden), weil Italienisch eine Landessprache der Schweiz ist und die Abbänderung der italienischen Grammatik auch für die Dudenredaktion eine Schuhnummer zu gross ist. Aber dies gilt nur für die Schweiz, die einen italienischsprachigen Teil hat. In Deutschland und Österreich hat sich das Italienisch wie seine Landsleute an sein Gastland anzupassen. Und dies ist der einzige Grund, weshalb auch im Deutschen Levi’s korrekt ist, Swis’s aber nicht. Was abgesehen davon noch ganz praktisch ist, denn als Nachfahre von Wilhelm Tell lasse ich mir doch meine Sprache nicht durch neumodische angloamerikanische Fürze verunstalten!

Sind wir ehrlich, es bleibt in diesem Tagebuch auch unter uns, wenn wir als Erwachsene schon Mühe haben, die korrekte Verwendung des Apostroph-S zu verstehen, wie sollte ein daher gelaufener achtjähriger Knabe verstehen, was auf seinem T-Shirt aufgedruckt ist, ohne dass er ein Lehersohn ist?

Soweit, so gut. Doch falsch, fälscher, Optiker, kann man da nur sagen. Denn nur vier Tramstationen später fuhr ich bei einem Optiker vorbei, der in seinem Schaufenster ein Plakat hängen hat, worauf es auf der ersten Zeile Fass und auf der zweiten Ungen heisst. Das Ganze steht im Gegensatz zum Apostroph führenden Shirt des Jungen ohne Trennstrich und ist der Weglassung und zweimaligen Grossschreibung wegen einfach falsch. Es ist zwar durchaus vorstellbar, dass man bei diesem Optiker, wenn man auf seine neue Brillenfassung wartet, ein Glas Wein frisch ab Fass erhält. Schliesslich gibt es Läden, die Schuhcafé oder Buch & Wein heissen und genau nach diesem Prinzip funktionieren. Doch obwohl ich eine blühende Fantasie habe, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, was Ungen sind. Ich studierte ein wenig und kam auf Begriffe wie Leistungen, Endungen, Leitungen, Liebkosungen. Aber den Begriff Ungen kenne ich nicht. Wir wiederholen nun nicht die Trennungsregeln, denn mit der Rechtschreibreform hat sich das Deutsche zum Glück seinen Nachbarsprachen angepasst und trennt nun nach Silben. Nein, der Begriff Ung, im Plural Ungen, existiert nicht in der deutschen Sprachen. Doch da drängt sich einem schon ein fauler, aber dennoch treffender Vergleich auf: Ob all dem sprachlichem Dung, der einem den lieben langen Tag begegnet, sollte man seine Fassung nicht verlieren, sondern das Ganze mit einem Lächeln nehmen. Zum Beispiel, wenn man ein Flugzeug der Swiss sieht.

Ach ja, kennen Sie den oberflächlichsten Fall im Deutschen? Es ist der Genitiv. Er hat es schon im Namen: Geh nie tief!






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