Ankunft mit Hindernissen in Eisenach

3. April 2018


Das liebliche Werratal zieht viel zu schnell am Fenster des Reisebusses vorbei, ich sehe u.a. ein Paar auf einer Velotour. Wir sind mit Verspätung in Speyer abgefahren, haben eine Zwischenstation ausgelassen und erreichen nun um zwanzig nach vier, eine Dreiviertelstunde zu früh, Eisenach. Letztes Mal war ich vor zwölf Jahren hier.

Wie zu Beginn von Mittagsrast in Speyer gesagt, sollte man seinem Chauffeur nicht widersprechen, wenn dieser seinem Navi folgt und sich in Sicherheit wiegt. Es ist schwierig, wenn man über Ortskenntnis verfügt und erkennt, dass der Car falsch fährt. Vater bemerkt es auch und sagt, hier wäre kein Durchkommen für den Car. Vater weiss es auch von zwei früheren Aufenthalten in Eisenach. Und so kommt es wie es kommen muss, meinend, den kürzesten Weg zu fahren, stellt Simon und mit ihm unsere ganze Reisegesellschaft fest, dass der Hainweg eine enge Quartierstrasse mit auf beiden Seiten geparkten Autos ist. Schliesslich stecken wir fest. Nicht weil es zu eng ist, sorgfältig manövrierend wäre an ein Weiterfahren zu denken, ein Busch streckt seine hölzernen Äste in die Strasse. Ohne den Car zu zerkratzen ist an Weiterfahrt nicht zu denken. Zurückfahren kann Simon nicht, an Wenden ist schon gar nicht zu denken. Sachte, ganz sachte, versucht er es zunächst, die Äste kratzen am Fahrzeug entlang. An den Fenstern der benachbarten Wohnungen stehen erste neugierige Nachbarn. Kurzerhand steigt Simon zum Amüsement unserer Reisegruppe aus und nimmt als echter Eidgenosse ein Schweizer Offiziersmesser aus seiner Hosentasche und beginnt die störenden Äste abzusägen. Männiglich rechnet damit, dass gleich die Polizei kommen wird. Doch nichts geschieht. Nach ein paar Minuten können wir weiterfahren, bis wir wieder auf der richtigen Strasse sind, die direkt zum Hotel führen wird.

Doch diese ist nicht besser als vorhin. Unser Hotel mag schön gelegen sein, etwas unterhalb der Wartburg, die vom Hotel zu Fuss aus nach einem kleinen Waldspaziergang zu erreichen ist. Dennoch ist das Haus Hainstein am oberen Ende der gleichnamigen Strasse gebaut. Die enge Strasse hoch, der eigentliche Hainstein, ist mit ihren engen Kurven nicht für Reisebusse geeignet. Vor allem nicht, da der Strasse entlang noch die Autos der Anrainer geparkt sind. Auch ohne vorbeifahrendem Car hätte ich hier Angst um mein Auto…

Während Simon vorsichtig um Ecken und Kurven fährt, erhalten die schönen alten Villen viele bewundernden Worte. Mir fällt auf, dass die Deutschen, wenn sie mal etwas kapiert haben, es richtig, richtig, richtig machen, so auch mit dem Umweltschutz und der Abfalltrennung. Bei uns in Zürich hat man den grauen Container, worin man die Abfallsäcke entsorgt, Karton und Papier werden in regelmässigen Abständen an den Strassenrand gestellt und abgeholt; für den Kompost und das Grüngut gibt es den grünen Container. In Deutschland gibt es die schwarze Tonne (Abfall), die grüne Tonne (Kompost) sowie die gelbe, blaue und braune Tonne. Und selbstverständlich benötigen diese den Platz am Strassenrand, den Simon zum Manövrieren bräuchte. Die Präzision, mit der Berufschauffeure ihr Gefährt selbst durch die engsten Stellen führen, ohne es zu verkratzen oder eine Beule zu holen, ist bewundernswert. So schleichen wir uns den Hainstein hoch, Simon fährt uns bis fast zum Hotel hoch, die letzten fünfzig Meter müssen wir zu Fuss gehen und unsere Koffer ziehen. Doch das ist so weit in Ordnung, es ist etwas nach fünf Uhr, wir benötigten von der Autobahn zum Hotel über eine halbe Stunde, für eine Strecke, für die man unter normalen Umständen fünf Minuten bräuchte. Für das letzte rangieren in den beengten Strassenverhältnissen möchte er keine Zuschauer.

Das Haus Hainstein ist im heute denkmalgeschützten Villenviertel in der Südstadt, das Anfang des 20. Jahrhunderts entstand, gelegen und in einer 1888-1890 erbauten ehemaligen Kuranstalt eingerichtet. Die Zimmer sind angemssen komfortabel, die Aussicht bei den meisten auch toll, ausser dasjenige, das Vater und ich haben und das sich nach den Tagungsräumen abseits befinden und sich um den Liftschacht herumwindet. Unsere Aussicht ist ein grüner Busch, dahinter lässt sich nicht die etwa die Wartburg oder Südstadt erahnen, sondern bloss der Parkplatz. Zum Schlafen wird es reichen. Aus dem holzgetäferten Restaurant «Lutherstube» wo Kopien von Cranachs Porträts von Luther und Katharina von Bora hängen, geht der Blick über den noch nackten Wald auf die nahe Wartburg. Ebenso vom Fumoir aus, wo wir zu dritt unsere Cigarillos rauchen, um den Abend des ersten Reisetages zu beschliessen.

eisenach wartburg nacht 2018
Esenach: Wartburg by night.

 

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Kalimandscharo: Eindrücke aus dem Reisebus – 3. April
Mittagsrast in Speyer – 3. April
Frühling – 24. März


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in der lieben Stadt – 4. April
Teufelserscheinung – 4. April
von Luther in Erfurt zu Goehte in Leipzig – 5. April




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