Mittagsrast in Speyer

3. April 2018


Treffpunkt ist am relativen frühen Morgen beim Manessebrunnen, mit der Kirchgemeinde Grossmünster fahren wir los, um Martin Luthers Spuren zu suchen. Simon, unser Chauffeur, wählt nicht die direkte Route nach Frankfurt, das Navi sagt ihm Stau in der Region Basel voraus. Mit seinem Chauffeur soll man sich nicht streiten, so fahren wir nach einem kurzen Umweg über die Rämistrasse und einem komplizierten Wendemanöver beim Kartoffelmarkt über Winterthur und Schaffhausen nach Karlsruhe, was weiter, aber schneller sein soll. In Speyer wird der erste Mittagshalt sein.

Vor 18 Jahren bauten Vater und ich in der Pfälzischen Landesbibliothek die Ausstellung «Die Welt der Schweizer Bilderchroniken» auf. Es war das letzte Mal, dass diese Ausstellung gezeigt wurde. Ich erinnere mich an eine liebliche Stadt am Rhein, an nette Leute, an das Spanferkel und das Gespräch mit Vater über Helmut Kohl, der aus der Gegend stammte.

speyer altstadt 2018
Die Altstadt von Speyer mit dem Stadtmuseum und einer Ausstellung über Richard Löwenherz.


Vor allem aber denke ich an die Grösse des Domes zu Speyer. Bis dahin hatte ich immer geglaubt, dass romanische Kirchen klein und gotische gross wären, dabei stimmt nicht einmal die Charakterisierung, dass romanische Kirchen gedungen und gotische himmelstrebend und schlank sind. Der Speyerer Dom, im 11. Jahrhundert errichtet, sollte schon immer durch seine Grösse beindrucken und gilt seit der teilweisen Zerstörung von Cluny in napoleonischer Zeit als grösste romanische Kirche, die Türme haben eine Höhe von rund 70 Metern. Ihre von ausgebleichtem Grünspan überzogenen Kupferdächer kontrastieren mit dem roten Stein. Mir ist in Erinnerung geblieben, wie wir am Rhein standen, der mächtig dahin floss und ich den noch mächtigeren Dom anschaute. Er ist die grösste heute noch erhaltene romanische Kirche und seit 1981 UNESCO-Welterbe.

Vater und ich picknicken heute im Windschatten und geniessen die Parkanlage am Rhein, mit dem Blick durch das spriessende Laub hindurch auf den Dom, der mir immer noch sehr gross vorkommt. Da die Zeit bis zum nächsten Programmpunkt zu kurz ist, um etwas zu besichtigen und zu lange, um nichts zu tun, spazieren wir durch die Altstadt und versuchen uns zu erinnern, was sich seit dem Jahr 2000 verändert hat. Wir wissen es nicht. Beim Historischen Museum der Pfalz ist ein Fassadengrosses Transparent mit dem Abbild von Richard Löwenherz, der passende Blickfang in der Altstadtsilhouette, ebenso wie der Jumbo-Jet, den man vom Technikmuseum aus über die Dächer der Altstadt grüssen sieht; er faszinierte schon im Jahr 2000.

Spyeer 2018 Jumbo-Jet Technikmuseum


Die zweigeschossigen Häuser in der Altstadt wirken nach heutigen Massstäben klein. Im Vergleich mit dem Jumbo-Jet und neben dem Dom wirken sie lächerlich klein, wie Spielzeug. Wie musste das zu Zeiten Kaiser Heinrichs IV. gewirkt haben, als die Stadt 500 Einwohner zählte? Die Grösse des Domes soll ihm schon in die Wege gelegt worden sein: König Konrad II. soll ihn 1025 als grösste Kirche des Abendlandes in Auftrag gegeben haben. Heinrich IV. liess die erste Kirche zur Hälfte einreissen und baute sie noch grösser auf, um seinen Anspruch gegenüber dem Papst zu untermauern.

Auf dem Weg zurück zum Dom fährt Simon, unser Chauffeur, auf einem Velo an uns vorbei. Lachend erklärt er, dass er im Car ein altes Velo mitführe, um jeweils von Bus schnell wieder bei der Gruppe zu sein. Er nimmt auch an der Führung durch den Dom teil. Das Innere überraschend hell, das einfallende Sonnenlicht ermöglicht interessante Licht- und Schattenspiele. Selbst in der Krypta mit dem Taufbecken, das um 1100 gefertigt wurde. Rudolf von Habsburg begegnet man mehrmals. Er soll 1291 nach Speyer gezogen sein, um dort zu sterben – was er einen Tag nach seiner Ankunft auch tat. Auf seiner Grabplatte scheint er einem anzulächeln. Nach der Führung und einer geistigen Verneigung vor Rudolf von Habsburg, einer der wenigen positiv konnotierten Habsburger in der Schweiz, fahren wir weiter.

speyer dom 2018
Der Dom zu Speyer vom Domnapf aus gesehen, der die Grenze der freien Reichsstadt und dem Gebiet des Bischofs markierte.




Eine der Statuen von Rudolf von Habsburg.

 

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